Nach tödlichen Schüssen auf den Präsidentschaftskandidaten Fernando Villavicencio in Ecuador hat Präsident Guillermo Lasso einen 60-tägigen Ausnahmezustand für das Land verhängt. Der Journalist, der gegen die Korruption im Land gekämpft hatte, war am Mittwochabend nach einer Wahlkampfveranstaltung in Quito erschossen worden. Die Wahlbehörde erklärte indes, dass der Wahltermin am 20. August beibehalten werde.
Wahlen für 20. August geplant
"Die Streitkräfte sind ab sofort im gesamten Staatsgebiet mobilisiert, um die Sicherheit der Bürger, die Ruhe des Landes und die freien und demokratischen Wahlen am 20. August zu gewährleisten", erklärte Lasso am Donnerstag in einer über die Onlineplattform Youtube verbreiteten Ansprache. Nachdem im Mai gegen den amtierenden Präsidenten Lasso ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet worden war, löste dieser das Parlament auf und rief Präsidenten- und Parlamentswahlen aus.
Unbekannte feuerten laut lokalen Medien auf den 59-Jährigen, als er am Mittwoch (Ortszeit) in ein Auto einstieg. Ein Tatverdächtiger sei nach dem Schusswechsel schwer verletzt festgenommen worden, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Die Besatzung eines Rettungswagens habe dann seinen Tod bestätigt. Zudem habe es bei dem Zwischenfall mindestens neun Verletzte gegeben, hieß es in einem weiteren Tweet der Behörde.
"Ich bin empört und schockiert über die Ermordung des Präsidentschaftskandidaten Fernando Villavicencio. Meine Solidarität und mein Beileid gelten seiner Frau und seinen Töchtern", schrieb Präsident Lasso auf Twitter. "Dieses Verbrechen wird nicht ungesühnt bleiben", betonte er. "Das organisierte Verbrechen ist zu weit gegangen. Es wird mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft werden", schrieb Lasso weiter.
"Wir haben keine Zweifel, dass dieser Mord ein Versuch ist, den Wahlprozess zu sabotieren", sagte er. Die Abstimmung werde aber wie geplant am 20. August stattfinden. Man werde der Gewalt nicht weichen. Die Täter und ihre Auftraggeber würden zur Rechenschaft gezogen. "Der Staat ist standhaft, und die Demokratie wird der Brutalität dieses Mordes nicht nachgeben. Wir werden dem organisierten Verbrechen nicht die Macht und die demokratischen Institutionen überlassen."
Der Mord wurde sowohl von den politischen Akteuren in Ecuador, als auch im Ausland einhellig verurteilt. Auch Ecuadors Ex-Präsident Rafael Correa, der in Abwesenheit wegen Korruption verurteilt wurde und derzeit im Exil in Belgien lebt, zeigte sich entsetzt: ""Ecuador ist ein gescheiterter Staat geworden. Das Land leidet. Meine Solidarität gilt seiner Familie und allen Familien der Gewaltopfer. Diejenigen, die mit dieser neuen Tragödie noch mehr Hass säen wollen, werden hoffentlich begreifen, dass sie uns nur noch mehr zerstören."
EU-Außenbeauftragter Josep Borrell zeigte sich ebenfalls entsetzt über das Verbrechen. "Dieser tragische Gewaltakt ist auch ein Angriff auf die Institutionen und die Demokratie in Ecuador", hieß es in einer Stellungnahme vom Donnerstag. "Die Täter und Organisatoren dieses abscheulichen Verbrechens müssen vor Gericht gestellt werden. Darüber hinaus sind strenge Schutzmaßnahmen für alle Wahlkandidaten von entscheidender Bedeutung, um einen freien demokratischen Wahlprozess zu gewährleisten."
Nach dem Mord an Villavicencio rief die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) Ecuadors Regierung auf, für die Sicherheit der Kandidaten bei der anstehenden Wahl zu sorgen und die Tat lückenlos aufzuklären. Der US-Botschafter in Ecuador, Mike Fitzpatrick, kommentierte den Vorfall mit den Worten: "Ich bin zutiefst bestürzt über die Ermordung von Fernando Villavicencio, Präsidentschaftskandidat und Kämpfer gegen Korruption und Drogenkriminelle, die Ecuador so viel Schaden zugefügt haben. Die US-Regierung verurteilt diesen Anschlag aufs Schärfste und bietet sofortige Ermittlungshilfe an."
Ecuador bleibt Drogenumschlagplatz
Ecuador liegt auf der Transitroute des Kokains, das vor allem in anderen südamerikanischen Ländern wie Kolumbien, Bolivien und Peru hergestellt wird und das Drogenkartelle dann in die USA oder Europa schmuggeln. Dies bringt Gewalt und Korruption mit sich - immer wieder kommt es in diesem Zusammenhang zu blutigen Revolten in überfüllten Gefängnissen, die teils von Gangs kontrolliert werden. Die Mordrate von 25 Tötungsdelikten je 100.000 Einwohnern 2022 war die höchste in der Geschichte des Landes und überstieg sogar jene von Mexiko und Brasilien.
Gegen diese Gewalt und die Korruption im Staat war der nun ermordete Kandidat zu Felde gezogen. Seine Schwester Patricia machte die Regierung für den Angriff verantwortlich. "Sie haben die Demokratie getötet", sagte sie örtlichen Medien zufolge. "Sie wollten nicht, dass die Korruption aufgedeckt wird. Nun werden wir als Familie verfolgt. Sie werden uns aber nicht zum Schweigen bringen." Villavicencio, der Journalist und Abgeordneter war, bewarb sich als Kandidat der zentristischen Bewegung Construye (Baue) um das höchste Staatsamt. Zuletzt lag er an dritter bis vierter Stelle hinter der in Umfragen deutlich führenden Anwältin Luisa González, die dem im Exil lebenden ehemaligen linksgerichteten Präsidenten Rafael Correa nahe steht. Anfang des Monats hatte Villavicencio erklärt, dass er und sein Team Drohungen von einer kriminellen Bande erhalten hätten.
Villavicencio hatte an einer Untersuchung mitgewirkt, um ein umfangreiches Korruptionsnetzwerk ans Licht zu bringen, in das der ehemalige linksgerichtete Präsident verwickelt war. Correa, der das Land zwischen 2007 und 2017 regierte, brachten Villavicencios Recherchen vor Gericht. Der Ex-Präsident floh nach Belgien und wurde 2020 in Abwesenheit zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.