James Carville – Wahlkampfstratege im Team von Bill Clinton – wusste schon 1992, worauf es ankommt, wenn man ins Weiße Haus einziehen will. Carville kreierte den Slogan "It's the economy, stupid!" (Es ist die Wirtschaft, Dummkopf). Die Strategie glückte: Die Fokussierung auf die Wirtschaftspolitik brachten dem Herausforderer Clinton den Wahlsieg ein und das, obwohl Amtsinhaber Präsident George H.W. Bush nach Beginn des Irak-Kriegs noch Zustimmungswerte von 90 Prozent hatte. Das Credo hat seither nichts an Glanz verloren. "Die Arbeitslosenquote und die Inflation in Kombination sind entscheidende Indikatoren, wenn es darum geht, ob ein Präsident ab- oder wiedergewählt wird", sagt der Politikwissenschaftler Reinhard Heinisch.
Bidens Wirtschaftswunder ist regional begrenzt
Auf den ersten Blick dürfte sich Joe Biden darüber freuen. Ihm ist es gelungen, die Inflationsrate binnen eines Jahres von 9,1 auf 3,2 Prozent zu senken. Auch die Arbeitslosenquote sank seit Bidens Amtsantritt sukzessive auf 3,5 Prozent. Dennoch könnte es für den amtierenden Präsidenten eng werden. Gerade in den entscheidenden Swing States, wie Arizona, Pennsylvania oder Ohio liegt die Arbeitslosenquote teilweise deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt. "Das geringe Wachstum und die höhere Arbeitslosenquote verunsichert die Bevölkerung und diese Unsicherheit hat letztlich einen starken Einfluss auf ihre Wahl", sagt Heinisch. Je pessimistischer die Bevölkerung, desto eher tendiert sie bei der nächsten Wahl für eine Veränderung zu stimmen.
Hinzu kommt: Bidens Umweltpolitik sorgt in den Industrieregionen des mittleren Westens für erheblichen Unmut. "Die Position der Regierung, sich von fossiler Energie zu distanzieren, wird hier als Angriff auf den Wohlstand wahrgenommen", erklärt Heinisch. Viele Bürger befürchten, dass Jobs verloren gehen. In Ohio, wo seit 2012 durchgängig die republikanischen Kandidaten bei den Präsidentschaftswahlen siegten, wurden in den letzten 20 Jahren mehr als 300.000 Jobs in der Industrie abgebaut. Laut dem deutsch-schwedischen Ökonomen Carl Benedikt Frey hat dies schon 2016 Donald Trump ins Weiße Haus gebracht: "Der Slogan 'Make America Great Again' hat in den von der Industrie verrußten Städten und Dörfern verfangen".
Einwanderer wählen immer häufiger republikanisch
Bei der Präsidentschaftswahl 2024 dürfte es für die Demokraten daher zunehmend schwierig werden, die 2020 gewonnenen Swing States zu halten. In manchen Staaten, die damals verloren gingen, scheint Biden überhaupt chancenlos. Während im mittleren Westen Trump und die Republikaner von der Frustration über den wirtschaftlichen Abstieg profitieren, spielt ihnen im Süden des Landes die Zuwanderung und der demografische Wandel in die Karten. "Florida zählt zu den komplexesten Staaten, weil er so divers ist", meint Heinisch. Im Süden des Staates gebe es rund um Miami liberale bis ultraliberale Enklaven. Im Norden residieren hingegen gutbetuchte Geschäftsleute – also hauptsächlich republikanisches Klientel. Ausschlaggebend für die Ausrichtung des Staates sind in dieser Pattsituation Einwanderer.
"Einwanderer aus Kuba und Venezuela wählen mittlerweile immer öfter republikanisch, weil sie mit den Demokraten den Sozialismus assoziieren, vor dem sie aus ihrem Heimatland geflohen sind", sagt Heinisch. Zudem sind die Einwanderer aus Lateinamerika stark katholisch geprägt. Auch wenn sie mit seiner Einwanderungspolitik nicht unbedingt einverstanden sind, so ist ihnen beispielsweise die konservative Haltung der Republikaner in der Abtreibungspolitik oder zur gleichgeschlechtlichen Ehe wichtig. Da nutzt es Biden auch wenig, dass er Katholik ist. 56 Prozent der Wähler mit kubanischer Abstammung votierten 2020 für Trump. Hinzu kommt: In Florida regiert mit Ron DeSantis, der ebenfalls für das Präsidentenamt kandidiert, auch ein Republikaner mit großer Hausmacht als Gouverneur. Für Biden dürfte es also besonders schwer werden, den Sonnenstaat mit seinen 29 Wahlleuten blau zu färben.
Für den amtierenden Präsidenten wird es eng. "Die einzige Chance, dass Biden wiedergewählt wird, ist, wenn Trump antritt", sagt Heinisch. Dann könne der 80-jährige Amtsinhaber nämlich mit breiter Unterstützung aus den eigenen Reihen, aber auch von Unabhängigen, rechnen. Generell gilt diese Gruppe zwar als wirtschaftsliberal, aber Trump ist für viele von ihnen ein rotes Tuch. So könne es bei den Präsidentschaftswahlen im November 2024 weniger um die Wirtschaft, als viel mehr den Kopf, der sie lenkt, gehen.