Die neue Militärjunta im Niger hat ihre Macht am Wochenende gefestigt - trotz eines auslaufenden Ultimatums der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS, die den Putschisten mit einem militärischen Eingreifen droht. Die Staatengruppe hatte die Junta aufgefordert, den gestürzten nigrischen Präsidenten Mohamed Bazoum freizulassen und die verfassungsmäßige Ordnung binnen einer Woche wieder herzustellen.
Kurz vor Auslaufen des Ultimatums gab es am Sonntagnachmittag keine Anzeichen für ein Einlenken der Junta. Zunächst blieb unklar, wann die Staatengruppe über ihr weiteres Vorgehen und einen möglichen Militäreinsatz entscheiden wollte. Ein solches Vorgehen ist in der Region umstritten. Zudem wäre ein solcher Einsatz der Gruppe im Niger, einem Land mit 26 Millionen Einwohnern und etwa der dreifachen Fläche Deutschlands, logistisch und militärisch wohl eine große Herausforderung.
Unterstützter der Putschisten versammelten sich in Stadion
Unterdessen versammelten sich tausende Anhänger der Putschisten am Sonntag in einem Stadion in der Hauptstadt Niamey. Wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten, erschien eine Delegation des nach dem Putsch regierenden "Nationalen Rats für den Schutz des Vaterlandes (CNSP)" unter Beifallsbekundungen der Putsch-Unterstützer. Einige im Publikum trugen russische Flaggen und Porträts der CNSP-Führungsspitzen.
Das 30.000 Sitze fassende Stadion war fast vollständig ausgefüllt, die Atmosphäre war nach Angaben der AFP-Journalisten festlich. Einer der CNSP-Chefs, General Mohamed Toumba, verurteilte in einer Ansprache diejenigen, die im Schatten lauerten und eine "Subversion" gegen den "Vorwärtsmarsch des Nigers" im Schilde führten. "Wir wissen über ihren machiavellistischen Plan Bescheid", sagte Toumba weiter.
Jugendliche gründen Bürgerwehren
Die Junta im Niger arbeitete zudem an der Konsolidierung ihrer Macht. In der Nacht auf Samstag teilte sie mit, wichtige Positionen bei den Streitkräften mit eigenen Gefolgsleuten neu besetzt zu haben. Neuer Chef der Streitkräfte ist nun Putschgeneral Moussa Salao Barmou. Zuvor war Barmou Chef der Spezialeinsatzkräfte.
In der Nacht auf Sonntag schlossen sich in Niamey Jugendliche zu Bürgerwehren zusammen, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur berichtete. Diese richteten demnach an verschiedenen Kreisverkehren Verkehrskontrollpunkte ein. Die Jugendlichen sollen den Unterstützungskomitees angehören, die zuvor bereits Demonstrationen zugunsten der Militärmachthaber ausgerichtet hatten.
Am 26. Juli hatten Offiziere der Präsidialgarde im Niger den demokratisch gewählten Präsidenten Bazoum für entmachtet erklärt. Der Kommandant der Eliteeinheit, General Abdourahamane Tiani, ernannte sich im Anschluss zum neuen Machthaber. Kurz nach Tianis Machtübernahme setzten die Putschisten die Verfassung außer Kraft und lösten alle verfassungsmäßigen Institutionen auf. Eine Vermittlermission der ECOWAS hatte am Donnerstag ohne ein Treffen mit Machthaber Tiani aus dem Niger abreisen müssen.
Algerien warnt vor Destabilisierung der Region
Algeriens Präsident Abdelmadjid Tebboune warnte am Wochenende nach Angaben der Zeitung El-Bilad und der Nachrichtenseite Ennahar, ein militärisches Eingreifen im Niger könnte die gesamte Sahel-Zone destabilisieren. Eine Teilnahme Algeriens an einer militärischen Intervention schloss Tebboune demnach strikt aus.
Algerien - der nördliche Nachbar des Nigers - ist bei ECOWAS kein Mitglied und nicht an das Ultimatum der Staatengruppe gebunden. Der südliche Nachbar des Nigers, das wirtschaftliche und militärische Schwergewicht Nigeria, scheint unter Präsident Bola Tinubu auf ein entschlossenes Vorgehen gegen die Putschisten zu drängen.
Frankreich will Soldaten nicht abziehen
Trotz der Zuspitzung der Lage steht nach Aussage der französischen Außenministerin Catherine Colonna ein Abzug der französischen Soldaten aus dem Niger nicht auf der Tagesordnung. Die internationale Gemeinschaft bemühe sich, die Junta zum Einlenken zu bewegen, sagte sie dem Radiosender "France Info". Sie warnte die Machthaber im Niger, die Drohung der ECOWAS ernstzunehmen.
Die neue Junta hatte die militärische Zusammenarbeit mit der einstigen Kolonialmacht am Donnerstag aufgekündigt. Noch immer hat Frankreich dort rund 1.500 Soldaten stationiert. Die USA sind mit rund 1.000 Soldaten vor Ort, die deutsche Bundeswehr mit rund 100. Der Niger, eines der ärmsten Länder der Welt, war beim Kampf gegen islamistischen Terrorismus in der Sahel-Zone bisher ein wichtiger Partner westlicher Regierungen.
Unbegründet ist Colonnas Warnung vor dem Handeln der ECOWAS nicht. Die Gruppe hat bereits in der Vergangenheit mehrfach militärische Eingreiftruppen aufgestellt. Zuletzt griff die Gruppe 2017 in Gambia ein, als der abgewählte Präsident Yahya Jammeh die Macht nicht abgeben wollte. Militärische ECOWAS-Operationen erfolgten bisher jedoch immer auf Einladung der betroffenen Regierung.