Shadi Abu Qutah befindet sich noch in seinem Haus als die von der Hamas-Verwaltung entsandten Bulldozer mit dem Abriss beginnen. Der Bürger der 175.000 Einwohner zählenden Stadt Chan Yunis im südlichen Gazastreifen kommt unter den Trümmern ums Leben. Im Schatten israelischer Siedlungspolitik bleibt oft unbemerkt, dass innerhalb der Palästinensischen Gebiete ebenfalls oftmals Häuser gegen den Willen ihrer Bewohner dem Abriss preisgegeben werden. Bauprojekte und Korruption eben dafür den Weg. Dies dürfte der berühmte Tropfen gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Am Morgen des 27. Juli erscheinen erste Videos spontaner Proteste auf Twitter und Telegram, in denen vornehmlich junge Männer brennende Barrikaden errichten.
Stein ins Rollen gebracht
In den Folgetagen gehen immer mehr Menschen auf die Straßen, um ihre allgemeine Verzweiflung und Wut gegen das Regime auszudrücken. Zwar versucht man von offizieller Seite die Schuld für den Tod Abu Qutahs auf die lokalen Behörden abzuwälzen, doch scheint bereits ein Stein ins Rollen gebracht worden zu sein, der sich nur schwer wieder aufhalten lässt.
Zwar wurden der Trauerzug und weitere Demonstrationen von Hamas-Kämpfern und -Sympathisanten angegriffen, doch konnte dies die Proteste bislang nicht stoppen, sondern scheint ihnen Auftrieb zu verleihen. Nicht nur wurde die Frage aufgeworfen, wohin die bezahlten Steuern verschwinden und die Hamas damit der Korruption bezichtigt, auch die ständige Stromknappheit steht im Fokus der Kritik. Ein Video zeigt einen Mann, der seinen installierten Prepaid-Stromzähler aus der Wand reißt und auf der Straße in Brand steckt.
Hamas reagiert mit Gewalt
Ob sich diesen Protestformen weitere Bürgerinnen und Bürger anschließen werden, muss sich zeigen. Die Hamas reagiert im Regelfall mit äußerster Brutalität auf Demonstrationen, die nicht die Lobpreisung des eigenen Tuns zum Ziel haben. Der Palästinensische Think-Tank AMAN fordert unterdes freie Wahlen im fast zwei Millionen Einwohner zählenden Landstrich. Letzmalig wurde in den Palästinensergebieten im Jahr 2006 gewählt.
Für den heutigen Freitagnachmittag sind erneute Versammlungen angekündigt. Ein in der islamischen Welt nach den traditionellen Freitagsgebeten bedeutender Zeitpunkt, der schon für so manchen politischen und gesellschaftlichen Umschwung sorgen konnte.