Donald Trump kommt vor Gericht: Diesmal wird ihm kriminelles Verhalten als US-Präsident vorgeworfen, keine privaten Verfehlungen wie die Vorwürfe wegen des Hortens von Geheimdokumenten, die Pornostar-Affäre, der Vorwurf der Vergewaltigung sowie Steuerbetrug im Immobiliengeschäft. Diesmal geht es um Trumps Verantwortung für den 2021 versuchten Putsch.
Trump ist am Donnerstag somit zum dritten Mal vor Gericht. Noch ist unklar, ob der ehemalige Präsident tatsächlich physisch vor Ort sein wird oder virtuell zugeschaltet wird. Es ist zu erwarten, dass sich Trump neuerlich "nicht schuldig" bekennt.
"Um freie, friedliche Wahlen abzuschaffen"
Zeitungen sprechen von einer nie da gewesenen Bedrohung für Amerikas Demokratie. "Noch nie ist ein Verbrechen dieser Größenordnung gegen unser Land begangen worden", so Laurence Tribe, Harvard-Justizprofessor, zur "Washington Post". "Es ging darum, die Republik und freie, friedliche Wahlen abzuschaffen."
Jack Smith, der Spezialermittler, der Trump vor ein Bundesgericht bringen will, hat auf 45 Seiten mehrere Anklagepunkte vorbereitet, darunter Betrug an den USA, um das Wahlergebnis zu unterlaufen, und Sabotage einer Regierungsfunktion, nämlich Auszählung der Wahl, und der Versuch, Bürger um ihr Wahlrecht zu betrügen.
Am 6. Jänner 2021 stürmte ein Mob von 500 Trump-Anhängern das Kapitol in Washington, schlug Fenster ein, griff Polizisten an, stahl "Andenken", drohte, Vizepräsident Mike Pence zu hängen, und suchte unbeliebte Abgeordnete. Fünf Menschen starben. Trump soll die Menge laut Anklage angestiftet, angefeuert, dirigiert haben. Zuvor hatte er auf allen Kanälen, vor allem Twitter, wochenlang verbreitet, die Wahl sei ihm gestohlen worden. Trump hatte auch 60 Anwälte engagiert, die Wahl anzufechten, aber bis auf eines alle Verfahren verloren. Er übte außerdem Druck auf Pence aus, die Wahl nicht anzuerkennen.
Trump ging es im Kern darum, die Zertifizierung der Wahl zu verhindern. Damit wollte er Zeit gewinnen, um Druck auf Gouverneure auszuüben, weitere Stimmen für ihn zu "finden". Er hatte auch erwogen, das Militär einzusetzen, um Wahlurnen zu konfiszieren und die Wahlen in knappen Staaten wiederholen zu lassen, womöglich mit neuen, von ihm selbst eingesetzten Wahlmännern. Trump beobachtete den Aufstand im TV, weil ihn die eigene Sicherheitsdoktrin hinderte, zum Kapitol zu fahren. Neben Trump gibt es noch sechs – ungenannte – Mitangeklagte, darunter vermutlich sein Anwalt, der frühere New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani, und sein Sicherheitsberater Michael Flynn.
Trump selbst zeigt erwartungsgemäß keinen Funken Reue, sieht sich als Opfer, "wie unter den Nazis". Die Anklage sei ein weiteres Ablenkungsmanöver der "kriminellen Biden-Familie". Die nutze das Justizministerium als Waffe, um von ihren eigenen Verbrechen abzulenken. Es gehe dem demokratischen Präsidenten darum, die Wahl zu gewinnen, obwohl Trump in den Umfragen führe. Trump-Konkurrent Ron DeSantis, Gouverneur von Florida, erklärte, wenn er Präsident werde, werde er das Justizministerium zwingen, unparteiisch zu handeln. Es gibt aber auch Trump-Gegner wie Chris Christie, der frühere Gouverneur von New Jersey. Zumindest Christie glaubt, dass sich mit dem Verfahren mehr Republikaner von Trump abwenden würden.
Bei seinen Anhängern schadet Trump die Anklage bisher nicht. Nach einer "New York Times"-Umfrage führt er bei registrierten Republikanern mit 54 Prozent, DeSantis ist mit 17 Prozent weit abgeschlagen. Nur ein Viertel der Republikaner sind ausgesprochene Trump-Gegner. 58 Prozent glauben, er könne Joe Biden schlagen. 69 Prozent sehen ihn als den starken Mann, den es brauche.
Wahlausgang völlig offen
Auch Biden hat nur die Hälfte seiner Partei hinter sich: Seine Zustimmungsrate in der Bevölkerung liegt bei 39 Prozent. Müssten sich Wähler heute entscheiden, hätten beide 43 Prozent. Trump kam 2016 mit weniger als der Hälfte der Stimmen ins Weiße Haus, da er Staaten im Mittleren Westen mit überproportional vielen Wahlmännern gewann. Theoretisch könnte Trump auch nach einer Verurteilung noch kandidieren.
Das Meinungsbild spiegelt wider, dass Amerika schwer zerrissen zwischen zwei Lagern ist, die einander nicht trauen, und in ihrer eigenen Medienblase verharren. Trump-Anhänger glauben an eine breite demokratische Verschwörung, von der Regierung über die Medien bis zu Strafverfolgungsbehörden, die den Retter Amerikas um die Wiederwahl betrog.
Eva Schweitzer (New York)