Eine weitere historische Anklage gegen Donald Trump: Der frühere US-Präsident muss sich wegen Versuchen der Wahlbeeinflussung und der Attacke seiner Anhänger auf das US-Kapitol am 6. Jänner 2021 vor Gericht verantworten. In der 45-seitigen Anklageschrift werden Trump vier formale Anklagepunkte zur Last gelegt, darunter Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten. Am Donnerstag soll er in Washington vor Gericht erscheinen.
Trump könnte online vor Gericht stehen
Womöglich könnte Trump den Gerichtstermin auch online wahrnehmen, sagte sein Anwalt John Lauro dem Fernsehsender CNN. Dies hänge letztlich vom Gericht ab. Trump reagierte am Mittwoch kämpferisch auf die Anklage. "Ich hatte noch nie so viel Unterstützung", erklärte er in einer in Großbuchstaben verfassten Nachricht in seinem eigenen Online-Dienst Truth Social. Die Anklage im Zusammenhang mit der Erstürmung des US-Kapitols mache deutlich, "wie sehr die USA in den vergangenen drei Jahren von Korruption, Skandalen und Misserfolgen geprägt waren", heißt es in dem Eintrag weiter. "Amerika ist eine Nation im Niedergang, aber wir werden es wieder groß machen, größer als je zuvor", schrieb Trump in Anspielung auf seinen bekannten Wahlslogan und seine geplante neuerliche Kandidatur.
Sonderermittler Jack Smith gab die für einen ehemaligen Präsidenten beispiellose Anklage am Dienstagabend (Ortszeit) bekannt. Er sagte, Trump werde beschuldigt, eine Verschwörung gestartet zu haben, um die Vereinigten Staaten zu betrügen, Wählern ihr Wahlrecht zu entziehen und ein offizielles Verfahren zu behindern.
Es ist bereits die zweite Anklage auf Bundesebene gegen den 77-Jährigen und die insgesamt dritte Anklage gegen den Ex-Präsidenten wegen einer Straftat. In der neuen Anklage geht es erstmals um mutmaßliche Straftaten während seiner Amtszeit im Weißen Haus.
Trump will bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr erneut für die Republikaner antreten. Bisher liegt Trump Umfragen zufolge im Feld der republikanischen Präsidentschaftsbewerber mit großem Abstand vorne. Er streitet alle Vorwürfe ab und wertet jedes juristische Vorgehen gegen ihn als Versuch seiner Gegner, ihn von einem Wiedereinzug ins Weiße Haus abzuhalten. Trumps Wahlkampfteam wetterte, die neue Anklage sei ein weiterer Versuch der Regierung von Präsident Joe Biden, in die Präsidentenwahl 2024 einzugreifen. Dies erinnere an das Vorgehen in Nazi-Deutschland und in anderen autoritären Regimen. Trump habe stets das Gesetz befolgt.
Sturm auf das Kapitol als tragischer Höhepunkt
Trump hatte die Präsidentenwahl 2020 gegen den Demokraten Biden verloren. Er gestand seine Niederlage aber nie ein, sondern verbreitet seitdem falsche Behauptungen, er sei durch massiven Wahlbetrug um einen Sieg gebracht worden. Trump und sein Umfeld versuchten damals auf diversen Wegen, das Ergebnis nachträglich noch zu kippen - unter anderem mit Klagen, aber auch mit politischem Druck auf Entscheidungsträger im Bund und in verschiedenen Bundesstaaten.
Der Feldzug gegen den Wahlausgang gipfelte schließlich am 6. Jänner 2021 in einem beispiellosen Gewaltausbruch: An jenem Tag erstürmten Anhänger Trumps den Sitz des US-Kongresses, wo zu der Zeit Bidens Wahlsieg formal bestätigt werden sollte. Trump hatte seine Unterstützer in einer Rede kurz zuvor einmal mehr mit der Behauptung angestachelt, dass er durch massiven Wahlbetrug um einen Sieg gebracht worden sei. Ein gewalttätiger Mob drang daraufhin in den Kongress ein. Fünf Menschen starben im Zuge der Krawalle.
In der Anklageschrift wird Trump vorgeworfen, er habe trotz besseren Wissens falsche Behauptungen über die Wahl verbreitet und dafür auch Personen im Justizministerium instrumentalisiert. "Trotz seiner Niederlage war der Beschuldigte entschlossen, an der Macht zu bleiben", heißt es darin. Trump habe gewusst, dass seine Betrugsbehauptungen nicht wahr seien. Er "schaffte eine intensive landesweite Atmosphäre des Misstrauens und der Wut und untergrub das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Durchführung der Wahl".
Trump habe wissentlich eine Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten angeführt. Dabei habe er sich mit sechs Komplizen zusammengetan, die in der Anklageschrift nicht namentlich erwähnt sind. Es handelt sich um vier Anwälte, einen Mitarbeiter der US-Justiz und einen politischen Berater.
Vorwurf der Verschwörung
Als Instrumente für die Verschwörung nennt die Anklageschrift falsche Behauptungen, die Aufstellung falscher Wahlleute, den Missbrauch staatlicher Stellen und die versuchte Instrumentalisierung von Vizepräsident Mike Pence. Dies habe auch zum Kapitol-Sturm geführt.
Trump hatte Pence, der die Kongresssitzung am 6. Jänner 2021 in seiner Rolle als Vizepräsident leitete, damals offen aufgerufen, das Prozedere zur Bestätigung von Bidens Wahlsieg zu blockieren. Als Pence sich weigerte, hetzte Trump seine Anhänger gegen den Vize auf. Der Mob johlte an jenem Tag Rufe wie "Hängt Pence".
In der Anklageschrift wird auch aus persönlichen Unterhaltungen zwischen Trump und Pence zitiert - unter anderem unter Berufung auf damalige Notizen von Pence. In einem der Gespräche sagte Trump demnach zu seinem Vize: "Du bist zu ehrlich."
In den politisch tief gespaltenen USA rief die Anklage Trumps ganz unterschiedliche Kommentare hervor - seine Verbündeten verteidigten ihn dabei wie gewohnt kompromisslos. Ex-Vize Pence, der sich ebenfalls für die republikanische Kandidatur bewirbt, teilte dagegen scharf gegen seinen ehemaligen Chef aus: "Die heutige Anklage ist eine wichtige Erinnerung: Wer sich über die Verfassung stellt, sollte niemals Präsident der Vereinigten Staaten sein." Trumps größter innerparteilicher Konkurrent, Floridas Gouverneur Ron DeSantis, kommentierte die Vorwürfe in seinem Statement nicht direkt.
Sonderermittler Smith sagte, er strebe in dem Fall ein schnelles Verfahren an. Die Kapitol-Attacke sei "ein beispielloser Angriff auf den Sitz der amerikanischen Demokratie" gewesen. Die Attacke sei durch Lügen des Beschuldigten angeheizt worden. Er betonte, Ermittlungen gegen andere Personen in dem Fall gingen weiter.
Nicht die erste Anklage
In den vergangenen Monaten war Trump bereits in zwei anderen Fällen angeklagt worden: zunächst im Frühling in New York im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar in New York. Damit war der Republikaner der erste Ex-Präsident in der US-Geschichte, gegen den wegen einer Straftat Anklage erhoben wurde. Im Juni folgte
eine weitere Anklage in Miami, weil Trump Regierungsdokumente mit höchster Geheimhaltungsstufe nach seiner Amtszeit in seinem Anwesen Mar-a-Lago aufbewahrt und nach Aufforderung nicht zurückgegeben hatte. Trump plädierte in beiden Fällen auf "nicht schuldig".
Außerdem könnte ihm womöglich eine weitere Anklage bevorstehen: Im Bundesstaat Georgia ermittelte die Staatsanwaltschaft zweieinhalb Jahre lang ebenfalls wegen Trumps Rolle nach der Wahl 2020. Eine Entscheidung über eine etwaige Anklage steht dort noch aus.
Sollte Trump die Anklage unbeschadet überstehen, könnten Radikale das als Freibrief verstehen, ein unliebsames Wahlergebnis einfach nicht zu akzeptieren und einen friedlichen Amtswechsel zu behindern. Sollte Trump verurteilt werden, könnte das wiederum enorme gesellschaftliche Verwerfungen in einem ohnehin politisch tief gespaltenen Land auslösen. Eine Entscheidung darüber ist aber weit entfernt. Trumps Anwälte dürften versuchen, das Verfahren möglichst lange hinauszuzögern. Ob es bis zur Präsidentenwahl Anfang November 2024 ein rechtskräftiges Urteil in diesem Fall geben wird, ist fraglich. Antreten dürfte Trump bei der Wahl nach Einschätzung von Rechtsexperten im Übrigen auch als verurteilter Straftäter.