Das ging schnell. "Friedrich der Falsche", titelt die Illustrierte "stern" in der am Donnerstag erscheinenden Ausgabe und zeigt auf dem Cover den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz. Im Innenteil findet sich ein Interview mit CDU-Politiker Tobias Hans. Der klagt: "Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern fünf nach zwölf. Das muss Friedrich Merz endlich sehen." Eine Kampfansage an den CDU-Chef. Hans ist ehemaliger Ministerpräsident des Saarlands, dem Landesverband der gescheiterten CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer. Alte Rechnungen ließe sich denken. Doch gehen bei Friedrich Merz auch neue Gleichungen nicht auf.
Kurz vor der Sommerpause hatte der CDU-Chef seinen Generalsekretär ausgetauscht. Merz wollte damit der Kritik entgegenwirken, dass die Union zwar stärkste Kraft ist im Land, aber in Umfragen weit unter 30 Prozent verharrt. Trotz der Schwäche der Ampel-Koalition. Wenige Tage später legte die CDU dann nach. Thorsten Frei, CDU-Innenpolitiker, stellte in einem Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" das Individualrecht auf Asyl infrage. Kurz darauf forderte Boris Rhein, CDU-Ministerpräsident in Hessen, routinemäßige Kontrollen an den deutschen Außengrenzen. Die Linie schien klar: Vor den Landtagswahlen in Hessen und Bayern im Herbst verschärfte die Union den Ton in der Migrationspolitik, um die Rechtsaußenpartei AfD zu stellen.
Fehlende Bündnispartner
Dann patzte Merz. Im "Sommerinterview" mit dem ZDF schloss der CDU-Chef eine Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene nicht grundsätzlich aus. "Wenn dort ein Landrat, ein Bürgermeister gewählt wird, der der AfD angehört, ist es selbstverständlich, dass man nach Wegen sucht, wie man in dieser Stadt gemeinsam weiter arbeiten kann", sagte Merz. Ein Sturm der Kritik brach los. Nicht nur bei SPD, Grünen und Linkspartei, sondern auch in der Union. "Die CSU lehnt jede Zusammenarbeit ab – auch auf kommunaler Ebene", beharrte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und schob hinterher: "Das schadet enorm." Auch von den CDU-Regierungschefs in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, Daniel Günther und Hendrik Wüst, kam Widerspruch. Böser Zufall: Alle drei machen sich mehr oder minder offen Hoffnung auf die Kanzlerkandidatur der CDU bei der nächsten Bundestagswahl 2025.
Merz versuchte es einen Tag lang mit Klarstellungen. Um am Montagabend kurz mitzuteilen, er habe von dem Gesagten nichts zurückzunehmen. Diese Strategie ist eigentlich die typische Methode von AfD-Frontmann Alexander Gauland. Erst Missverständliches sagen, vermeintlich zu Unrecht Empörung ernten, um hinterher zu sagen: Genau so ist es! "Das ist der Abschied vom Kurs der Mitte", warnte Tobias Hans im Interview mit dem "stern".
Die Illustrierte ist ein Wochenmagazin. Interviews sind in solchen Formaten eher lange geplant. Das wiederum drängt den Verdacht auf, dass die innerparteiliche Opposition gegen Merz gezielt mobil macht. Die Lage des CDU-Chefs ist prekär. Von außen betrachtet führt die CDU stabil die Umfragen im Bund an. Allerdings auf einem historisch tiefen Niveau. Merz versucht, die Partei weiter nach rechts zu führen. Doch fehlen in der Mitte mögliche Koalitionspartner. Weder mit der bevorzugten FDP noch mit den verschmähten Grünen reichte es zu einer Regierungsbildung. So bleibt der dunkle Verdacht, Merz testet schon mal neue Frontallianzen nach rechts. Das ZDF-Interview kein Patzer, sondern ein kalkuliertes Versehen? "Mir drängt sich der Verdacht auf, dass es den Versuch gibt, einen neuen Sound in der CDU zu etablieren", befand Hans.
Eindeutige Beschlusslage
Merz Sommeroffensive droht zu verpuffen. Statt in der Ferienzeit die Ampel-Regierung mit markigen Worten in der Rechts- und Migrationspolitik vor sich herzutreiben, muss sich Merz unvermittelt einer Führungsdebatte stellen. Solche Szenarien kennt aus der Vergangenheit eigentlich eher die SPD.
Die Beschlusslage in der CDU ist klar. "Die CDU lehnt jegliche Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der AfD ab", heißt es in einem Grundsatzbeschluss. Und weiter: "Jeder, der in der CDU für eine Annäherung oder gar Zusammenarbeit mit der AfD plädiert, muss wissen, dass er sich einer Partei annähert, die rechtsextremes Gedankengut, Antisemitismus und Rassismus in ihren Reihen bewusst duldet."
Es kommt viel in Bewegung in Deutschland in diesen Tagen. Kippt nun auch die CDU nach rechts? Oder kommt ein Aufstand gegen Merz an der Spitze? "Mittlerweile muss man vor jedem 'Sommerinterview' zittern, weil man nicht weiß, was am Ende dabei herauskommt. Ich möchte mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass ein von der CDU gestellter Bundeskanzler solche Sorgen hervorruft", sagte Tobias Hans. Der Mann ist ohne Amt im Moment. Aber so weit vor wagte sich niemand. Bislang.
Die Union ist in Aufruhr. Gefährlich, wenn der konservative Stabilisator wankt. Merz' Sommermanöver und die unsicherere Linie der CDU nutzt bisher nur der AfD.
Peter Riesbeck (Berlin)