Deutschland ist urlaubsreif. Auch der Kanzler. Zu Beginn der Sommerpause stellte sich Olaf Scholz am Freitag zur Sommerpressekonferenz den Fragen der Hauptstadtpresse. "Ich freue mich darauf, dass ich in Urlaub fahren kann", sagte der Kanzler. Doch ist das für manche im Land derzeit nicht immer einfach. Pünktlich zu Ferienbeginn legten Klimaaktivisten in Hamburg und Düsseldorf den Flugbetrieb lahm. Tausende Reisende saßen über Stunden fest. Doch diskutiert das Land nicht nur über die Methoden der Klimakleber. Sondern auch über die Sicherheit der Flughäfen. "Es wird demnächst Standards für Betreiber kritischer Infrastruktur geben", kündigte Innenministerin Nancy Faeser von der SPD an.
Debatte über Sicherheitslücke
Bereits im vergangenen Jahr hatten Klimakleber den Berliner Flughafen BER blockiert. Sie hatten einfach den Zaun zur Rollbahn durchtrennt. So lief es auch in Hamburg und Düsseldorf. In Hamburg rückten die Aktivsten der "Letzten Generation" nicht nur mit großem Bolzenschneider an, sondern auch mit Begleitkamera. Der Metallzaun war schnell gekappt, dann ging's mit dem Leihfahrrad hinüber aufs Flugfeld. Dort klebten sich die Aktivisten fest. Vier Stunden war der Flugbetrieb unterbrochen. Erst dann konnten die Jets wieder starten und landen. Nun versprach Ministerin Faeser, die neuen Maßnahmen werden "auch zu einer besonderen Sicherheit der Flughäfen führen".
Die Ministerin sprach von der Zukunft. Für die Gegenwart erkannten Experten gravierende Sicherheitslücken. Von einem "verheerenden Signal für Leute, die das nachmachen wollen, vor allem Terroristen", sprach der Luftfahrtexperte Elmar Giemulla in der ARD und mahnte: "Das muss sofort abgestellt werden." Die Polizeigewerkschaft kritisierte unterschiedliche Sicherheitssysteme auf den Flughäfen.
Aufrüsten auf beiden Seiten
Und das Land diskutierte über die Methoden der Klimakleber. Ihr tue das "ganz dolle leid", sagte Lina Johnsen von der "Letzten Generation" in der ARD. Sie konnte sich aber ein breites Grinsen nicht verkneifen.Ihrer Gruppe war ein medialer Coup gelungen und Johnsen durfte im TV noch mal ihre Argumentation darlegen. Der Klimaschutz drängt, deshalb muss sofort gehandelt werden. Die Unbedingtheit ist ein Kennzeichen jeder Jugend.
Doch wächst die Kritik an den Mitteln der "Letzten Generation". "Fridays for Future" ist bereits von der jüngeren Aktivsten abgerückt. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen wiederholte seine Kritik: "Die Aktivisten, die jetzt lauter Menschen die Reise in den Urlaub verbauen, schaden dem Anliegen Klimaschutz massiv – diese Form des Protests ist nicht richtig." Auch aus FDP, SPD und Union kam Kritik.
Die Stadt Nürnberg untersagte am Freitag jegliche Protestformen der "Letzten Generation". Die machte im Netz mit einem Video mobil. In Stralsund schob ein Lkw-Fahrer einen Klimaaktivsten mit dem Truck von der Straße, er verlor seinen Job. Beide Seiten verlieren langsam die Nerven, es droht die Mobilmachung. "Ich kann verstehen, dass viele Menschen von den Aktionen der 'Letzten Generation' genervt sind. Damit schaden sie auch der Akzeptanz für besseren Klimaschutz. Trotzdem hat niemand das Recht mit Gewalt gegen die Blockierer vorzugehen", mahnte Justizminister Marco Buschmann von der FDP zur Mäßigung und versprach:
"Um Kriminelle kümmert sich die Polizei."
In Hamburg wurden zehn Aktivisten vorübergehend festgenommen. Ihnen droht nicht nur eine Anklage wegen Nötigung und Hausfriedensbruch, sondern auch eine Anzeige wegen gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr. Auch die blockierten Urlauber könnten klagen – auf Schadenersatz. Medial ist der Coup gelungen. Doch wirkt die "Letzte Generation" zunehmend isoliert. Umso mehr steigt die Gefahr, dass sie sich weiter radikalisiert.
Peter Riesbeck (Berlin)