Der Chef der Söldner-Gruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, hat nach Darstellung von Präsident Wladimir Putin die Eingliederung seiner Kämpfer in die russischen Sicherheitskräfte abgelehnt. Putin sagte in einem am Freitag veröffentlichten Interview der Zeitung "Kommersant", er habe sich fünf Tage nach dem Aufstand der Söldner mit rund drei Dutzend von ihnen und ihrem Chef getroffen. Er habe den Söldnern dabei das Angebot gemacht, weiterhin in Russland zu dienen.
Prigoschin war mit Eingliederung nicht einverstanden
"Sie hätten sich alle an einem Ort versammeln und ihren Dienst fortsetzen können und nichts hätte sich geändert", sagte er dem Blatt. Viele der Kämpfer hätten zustimmend genickt. Allerdings hat sich Prigoschin nach Putins Schilderung dagegen gestellt.
"Prigoschin (...) sagte, nachdem er zugehört hatte 'Nein, die Jungs werden mit einer solchen Entscheidung nicht einverstanden sein'", so Putin. Der Präsident bekräftigte, die Söldner-Gruppe Wagner sei aufgelöst: "Sie existiert einfach nicht." Noch Ende Juni hatte Putin bekannt gegeben, dass die Wagner-Gruppe vollkommen vom Staat finanziert wurde. Zwischen Mai 2022 und Mai 2023 habe man umgerechnet 940 Millionen US-Dollar an Steuergeldern hineingesteckt. US-Informationen zur Folge soll die Wagner-Gruppe nun auch nicht mehr in der Ukraine sein.
Russische Kriegsführung wird fragiler
Nach außen hin steigt hingegen die Überzeugung, dass die russische Kriegsführung derzeit nicht nach Plan verlaufe. Nach der Kritik des inzwischen abgesetzten russischen Generals Iwan Popow an der Kriegsführung in der Ukraine sehen westliche Experten schwere Probleme in Moskaus Kommandostrukturen. Popows Absetzung im Zuge seiner Kritik an Missständen und dem hohen Verlust russischer Soldaten bestätige, dass Moskaus Verteidigungsstellungen in der Ukraine "wahrscheinlich brüchig" seien, hieß es in einer Analyse des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) vom Donnerstag (Ortszeit).
Die Experten verwiesen auf ihre früheren Einschätzungen, nach denen die russischen Streitkräfte keine Reserven etwa für Rotationen hätten. Im Falle eines Durchbruchs ukrainischer Kräfte bei deren Gegenoffensive blieben die russischen Stellungen ohne Unterstützung, meinten die ISW-Experten. Sie erwarten zwar, dass Popows Abgang unmittelbar allenfalls "marginale" Auswirkungen habe. Sie betonen aber: "Die immer fragilere russische Befehlskette könnte in Zukunft zu einer kritischen Kommando- und Kontrollkrise führen, in der die Unterstützung der Feldkommandeure für das russische Militärkommando immer schwächer werden könnte."
Popow auf einer Stufe mit Prigoschin
Popow, der die 58. Armee in der besetzten ukrainischen Region Saporischschja befehligt hatte, habe sich mit seiner Kritik auf eine Stufe mit anderen gestellt, hieß es. So hatte etwa Prigoschin, Generalstabschef Waleri Gerassismow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu Unfähigkeit vorgeworfen. Auch Popows Ziel könne es gewesen sein, Gerassimow als Oberbefehlshaber für den Krieg gegen die Ukraine zu beseitigen. Der Generalstabschef aber versuche, Kritik zu unterbinden und sie nicht zu Präsident Wladimir Putin durchdringen zu lassen.
Nach Einschätzung der ISW-Experten sind die russischen Streitkräfte in der Defensive und setzen alles daran, ihre Stellungen zu halten. Unterdessen führe die ukrainische Armee ihre Gegenoffensive an mindestens drei Abschnitten der Front fort und verzeichne in einigen Regionen Gebietsgewinne.