Die im Mittelmeer aktiven Seenotrettungsorganisationen SOS Humanity, Sea Eye und Mission Lifeline klagen gegen Italiens Praxis, den privaten Rettungsschiffen Häfen zuzuweisen, die weit vom Rettungsgebiet entfernt sind. Auf diese Weise werde das Leben der geretteten Migranten gefährdet, kritisierten die Hilfsorganisationen am Sonntag und kündigten eine Klage bei einem Verwaltungsgericht in Rom an.
Die privaten Seenotretter klagen seit Monaten über die Behinderung ihrer Arbeit durch die neue Strategie der italienischen Rechtsregierung. Neuerlich für Verärgerung sorgte am Sonntag, dass dem Schiff SOS Humanity 1, das in fünf Einsätzen insgesamt 199 Migranten gerettet hat, der Adria-Hafen von Ortona in der Region Abruzzen zugewiesen wurde. Ortona liegt 1.300 Kilometer vom Ort der Rettung entfernt. "Der Kapitän hat vergeblich um einen näheren Hafen für die stark geschwächten Überlebenden, die fünf Tage auf See verbracht haben - teilweise ohne Nahrung und Wasser - gebeten. Die Praxis Italiens, systematisch weit entfernte Häfen zuzuweisen, stellt ein vermeidbares Risiko für ihre Gesundheit dar", kritisierte die NGOs.
Rechtregierung verschärfte Kurs
Die seit Oktober regierende italienische Rechtsregierung hat den Kurs gegenüber NGOs, die im Mittelmeer Migranten aus Seenot retten, verschärft. Die Regierung wirft den Hilfsorganisationen vor, mit ihren Einsätzen das Schlepperwesen zu unterstützen. Mit einer neuen Regelung wurde die Anzahl der Rettungen pro Ausfahrt der NGO-Schiffe beschränkt. Damit soll die Zahl der Migrantenankünfte begrenzt werden. Zudem weisen die italienischen Behörden den NGO-Schiffen Landungshäfen in Norditalien zu, die mehrere Reisetage vom Rettungspunkt entfernt liegen. Argumentiert wird dies mit der Überlastung der Flüchtlingsaufnahmezentren in Süditalien.
Seit Jahresbeginn sind laut italienischem Innenministerium 64.930 Migranten an den italienischen Küsten gelandet, das ist mehr als doppelt so viel wie im Vergleichszeitraum 2022 und dreimal so viel wie im ersten Halbjahr 2021.