Bei den Krawallen in Frankreich ist das Wohnhaus eines Bürgermeisters in einem Pariser Vorort angegriffen worden, während dessen Familie zu Hause schlief. Randalierer hätten das Haus in der Nacht zu Sonntag mit einem Auto gerammt und Feuer gelegt, schrieb Vincent Jeanbrun, Bürgermeister von L'Haÿ-les-Roses, auf Twitter. Seine Frau und eines seiner Kinder seien verletzt worden.

Der Politiker postete auch ein Video von den Unruhen auf seinem Facebook-Account:

Versuchter Mord: Frau und Kinder beschossen

Nach Angaben des Fernsehsenders BFMTV leitete die Staatsanwaltschaft eine Untersuchung wegen versuchten Mordes ein. Der Bürgermeister selbst befand sich in der Nacht noch im Rathaus. Das Gebäude der Behörde war wegen versuchter Angriffe mit Stacheldraht verbarrikadiert und von Polizisten bewacht. Das Privathaus, in dem die Frau des Bürgermeisters mit ihren zwei kleinen Kindern schlief, war jedoch nicht gesichert.

Die Täter rammten mit einem Auto das Tor zu seinem Haus und zündeten dann das Auto, den Wagen der Familie und mehrere Mülltonnen an. Frau und Kinder flohen laut dem Fernsehsender franceinfo durch den Garten, während die Angreifer sie mit Feuerwerkskörpern beschossen.

Während in einigen Städten die Lage weniger angespannt schien als zuletzt, kam es primär in Paris, Marseille und Lyon erneut zu Krawallen. Mindestens 427 Menschen seien landesweit festgenommen worden, schrieb Innenminister Gérald Darmanin auf Twitter. Die Pariser Champs Élysées wurde von einem großen Polizeiaufgebot unter Einsatz von Tränengas geräumt, wie "Le Figaro" berichtete.

Ruhigere Nacht

Darmanin schrieb weiter, trotzdem sei die Nacht "dank des entschlossenen Vorgehens der Ordnungskräfte" eine ruhigere gewesen. Premierministerin Élisabeth Borne lobte die Einsatzkräfte: Angesichts der Gewalttätigkeiten zeigten sie beispielhaften Mut, schrieb sie auf Twitter. 45.000 Polizisten und Tausende Feuerwehrleute seien im Einsatz gewesen, um die Ordnung zu schützen.

Iran kritisiert "Gewalt" an Bevölkerung

Das iranische Außenministerium hat die Regierung in Frankreich inmitten der Unruhen in dem Land dazu aufgefordert, die "gewaltsame Behandlung seiner Bevölkerung zu beenden" und sich in "Zurückhaltung" zu üben. Die Regierung und die Polizei solle "den Forderungen der Demonstranten Beachtung schenken" und "jegliche Gewalt vermeiden", erklärte der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Nasser Kanani, am Sonntag im Onlinedienst Twitter.

"Bestimmte europäische Länder" hätten sich nicht dem Problem der schlechten Behandlung der zugezogenen Menschen gestellt. Dies "schafft ungünstige Bedingungen für die europäischen Bürger, auch in Frankreich", erklärte der Sprecher.

Das Ministerium forderte die Iraner dazu auf, "nicht unbedingt notwendige Reisen nach Frankreich zu vermeiden". Die iranischen Medien räumen den Aufständen in Frankreich viel Platz ein.

Im Iran hatte der Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini im September eine Protestbewegung ausgelöst. Die iranischen Behörden hatten die Solidarität europäischer Länder mit der Protestbewegung scharf kritisiert. Im Oktober hatte Kanani die "Einmischung" von Präsident Emmanuel Macron angeprangert, der seine Unterstützung für die Demonstranten im Iran zum Ausdruck gebracht hatte.

Flucht vor Polizeikontrolle

Auslöser für die Unruhen war der Tod eines Jugendlichen durch einen Polizisten. Der 17-Jährige war am Dienstag in Nanterre am Steuer eines Autos von einer Motorradstreife gestoppt worden. Als der junge Mann plötzlich anfuhr, fiel ein tödlicher Schuss aus der Dienstwaffe eines Polizisten. Die Beamten hatten zunächst angegeben, der Jugendliche habe sie überfahren wollen. Gegen den Beamten wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet.

Der Jugendliche wurde am Samstagnachmittag in seinem Heimatort Nanterre nahe Paris beigesetzt. Beobachter hatten zuvor befürchtet, dass die Beerdigung erneut Öl ins Feuer gießen könnte. Doch in Nanterre blieb es "Le Parisien" zufolge bis Mitternacht ruhig.

Wegen der Unruhen sagte Präsident Macron seinen Staatsbesuch in Deutschland am Samstag ab. Es wäre der erste Staatsbesuch eines französischen Präsidenten in Deutschland seit 23 Jahren gewesen. Doch die innenpolitische Lage zwingt Macron, in Frankreich zu bleiben.