Kroatien-Urlauber dürften aufatmen: Slowenien will trotz massiv gestiegener Migrantenzahlen keine Grenzkontrollen zu Kroatien einführen. "Natürlich nicht", sagte der slowenische Ministerpräsident Robert Golob am Dienstag nach einem Treffen mit Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in Wien. Grenzkontrollen seien nämlich "nicht wirksam", untermauerte Golob seine Forderung nach einem Aus der österreichischen Kontrollen an Sloweniens Grenze. Nehammer blieb diesbezüglich aber hart.
"Grenzkontrollen, keine Schließungen"
"Schengen funktioniert so nicht", betonte Nehammer bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Hinblick auf die aktuellen Zahlen und betonte den "starken Druck", den man in Österreich erlebe. Es gelte, bereits bei den Migrationsrouten und den Herkunftsländern anzusetzen. Die Grenzkontrollen zu Slowenien seien "notwendig, um eine Verlagerung der Schlepperrouten Richtung Österreich zu verhindern". Es gehe um "Grenzkontrollen" zu Slowenien, "nicht um Schließungen", betonte der Kanzler. Man habe "kein Interesse daran, dass Slowenien oder Kroatien alleine gelassen werden."
Das österreichische Innenministerium hatte im Vorfeld von Golobs Besuch aktuelle Migrationszahlen aus Slowenien verbreitet, wonach die illegalen Grenzübertritte in das Nachbarland heuer "dramatisch" gestiegen seien. Bis Anfang Juni hätten die slowenischen Behörden 16.131 Personen aufgegriffen, während es im Vergleichszeitraum des Vorjahres 4.598 Personen gewesen seien. Golob stellte diesbezüglich "die rhetorische Frage", ob Slowenien diese Zahlen zum Anlass nehmen sollte, "um während der Urlaubssaison Kontrollen bei der Rückkehr österreichischer Touristen einzuführen. Das sagt uns wohl alles über die Sinnhaftigkeit dieser Kontrollen."
"Wir wollen weder unsere eigene Bevölkerung noch unsere Nachbarn mit Maßnahmen treffen, die nicht wirksam sind", sagte Golob. Die hohen Aufgriffszahlen in Slowenien würde nämlich zeigen, dass andere Maßnahmen im Kampf gegen illegale Migration wirksamer seien. "Wir registrieren alle Migranten. Die Zahlen sind bei uns sehr hoch, weil wir sie registrieren. Dieser Prozess ist wesentlich wirksamer als Grenzpunktkontrollen."
Der slowenische Premier hob in diesem Zusammenhang Dänemark hervor, das im Mai auch die Grenzkontrollen zu Deutschland aufgehoben habe und stärker auf Hinterlandkontrollen setze. Ähnlich sollen nun auch Österreich, Slowenien und Kroatien in einer gemeinsamen Initiative vorgehen. "Unsere regionale Initiative lautet, dass wir die Migrationsströme auf dem gesamten Territorium kontrollieren, nicht nur an den Grenzen", forderte er. "Slowenien will Schengen nicht aufheben. Wir wollen ein Vorbild dafür sein, dass man mit den Migranten auch anders umgehen kann."
Nehammer begrüßte Golobs Vorschlag. Er werde Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) "den Auftrag geben, die Kooperation mit Slowenien zu erweitern", sagte der Regierungschef. Zugleich bekräftigte er die österreichische Position, dass die Grenzkontrollen an der slowenischen Grenze notwendig seien. Auch heuer habe es wieder 18.000 Asylanträge in Österreich gegeben, und auch von diesen Migranten sei "der Großteil" nicht zuvor in einem anderen EU-Staat registriert gewesen. Nehammer ließ durchblicken, dass die Grenzkontrollen zu Slowenien im Herbst wieder auf den Prüfstand kommen könnten. "Wenn es uns gelingt, den Druck zu reduzieren, kann man darüber reden", sagte er unter Verweis auf die jeweils sechs Monate geltende Maßnahme.
Auf eine Frage räumte der Kanzler ein, dass es wegen der "strengen Überwachung" der slowenischen Grenze zu einem "Umgehen" in Richtung Italien komme. Anlass für die Einführung von Grenzpunktkontrollen an der österreichisch-italienischen Grenze sieht er aber nicht. Diesbezüglich argumentierte er mit der "hohen Schwarzmarktstatistik" in Italien, der Schleierfahndung am Brenner sowie, dass es auf der Route über das Kanaltal (zwischen Tarvis und Udine) "keine deutliche Erhöhung" gegeben habe.
Abgesehen vom Grenzkontrollstreit schien zwischen Golob und Nehammer kein Blatt Papier zu passen. Sowohl bei der EU-Asylreform als im Drängen auf eine rasche EU-Annäherung des Westbalkan präsentierten sich die beiden einträchtig. Golob griff diesbezüglich den österreichischen Vorschlag nach einer Änderung des EU-Erweiterungsprozesses auf, um Beitrittsländer schon vorher punktuell zu integrieren. "Einzelne Länder des Westbalkan warten schon 20 Jahren auf den nächsten Schritt. Wir befürchten, dass das auch in 20 Jahren noch so sein wird, wenn sich nichts ändert (am Beitrittsprozess, Anm.)", sagte Golob. Ohne Änderungen werde es auch nicht möglich sein, "Lösungen für Moldau und die Ukraine zu finden", warnte er.
Harmonie in der Minderheitenfrage
Harmonisch präsentierten sich Nehammer und Golob, der mit einer großen Journalistendelegation angereist war, in der Minderheitenfrage. Nehammer bezeichnete seinen Amtskollegen als "Interessensvertreter der Volksgruppe in Österreich" und wies darauf hin, dass die Förderungsprogramme für die slowenische Minderheit ausgebaut werden. Golob drängte konkret darauf, "dass auch in Kinderkrippen und Kindergärten wieder die slowenische Sprache eingeführt wird". Außerdem forderte er eine Lösung für die Verwendung der slowenischen Sprache an Kärntner Bezirksgerichten, die wegen einer Gerichtszusammenlegung neu geregelt werden muss. Parallel zum Treffen der Regierungschefs sprach die slowenische Justizministerin Dominika Švarc Pipan in Klagenfurt mit Vertretern der slowenischen Volksgruppe über dieses Thema.
Während Nehammer das Streitthema Atomkraft aussparte - Österreich kämpft gegen die Laufzeitverlängerung des AKW Krško und dortige Reaktorneubaupläne - schlug Golob den Bau einer Gaspipeline von der kroatischen Adria über slowenisches Staatsgebiet nach Österreich vor. Dieses Projekt würde die Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas verringern. Es sei von der österreichischen Seite "positiv aufgenommen" worden und werde nun auf Expertenebene diskutiert.