Angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Probleme in Großbritannien hat sich Oppositionsführer Keir Starmer für eine Neuverhandlung des EU-Austrittsvertrags ausgesprochen. "Ja. Wir wollen engere Handelsbeziehungen mit der EU. Wir können mit der EU mehr machen im Bereich Wissenschaft und Innovation und auch im Sicherheitsbereich", sagte Starmer am Mittwoch dem Fernsehsender Sky News. Seine Partei wolle dafür sorgen, "dass der Brexit funktioniert".
Wirtschaftliche Probleme
"Funktioniert der Brexitdeal, den wir haben, gut? Nein", betonte Starmer mit Blick auf den von der konservativen Regierung ausverhandelten Deal. Er beklagte, dass die britische Wirtschaft schon seit Jahren zu langsam wachse. Zugleich betont er, dass es "viel Arbeit" erfordern werde, um dieses "Durcheinander in Ordnung zu bringen". Starmers Labour führt in den Umfragen deutlich vor den Tories von Premier Rishi Sunak, die nächsten Unterhauswahlen finden voraussichtlich Ende 2024 statt.
Labour hatte sich im monatelangen Tauziehen um die Modalitäten des EU-Austritts dafür eingesetzt, dass Großbritannien weiterhin eine Zollunion mit der EU bildet und es auch vollen Zugang zum EU-Binnenmarkt gibt. Dies lehnten die Tories aber ab, was unter anderem eine komplizierte Sonderregelung für Nordirland erforderlich machte. Die britische Region bleibt anders als der Rest des Landes im EU-Binnenmarkt, um das Entstehen einer Zollgrenze zum EU-Mitglied Irland zu verhindern. Erst zu Jahresbeginn war es dem britischen Premier Rishi Sunak gelungen, den nach dem EU-Austritt akut gewordenen Streit über die Auslegung der Nordirland-Bestimmungen in einer Vereinbarung mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beizulegen.
Selbst Brexit-Wortführer räumen Fehler ein
Zweieinhalb Jahre nach dem endgültigen Ausscheiden Großbritanniens aus dem gemeinsamen europäischen Markt zeigen Untersuchungen, dass sich die britische Wirtschaft deutlich schlechter entwickelt als jene in den EU-Staaten. Während es einerseits zu Arbeitskräftemangel kommt, ist es dem Land nicht gelungen, die irreguläre Migration wie von den Brexitbefürwortern versprochen einzudämmen. Diese Woche musste selbst der Brexit-Wortführer Nigel Farage einräumen, dass der Brexit ein "Fehlschlag" gewesen sei. Er zeigte diesbezüglich aber auf die britische Regierung, weil diese die Migration nicht eindämme und die Unternehmen noch stärker reguliere als die Europäische Union. Zudem steigt der Druck von Unternehmen in Sachen Brexitdeal. So drohte der Autohersteller Stellantis erst am Mittwoch damit, dass er seine britischen Fabriken mit Tausenden Beschäftigten schließen müsse, wenn der Austrittsvertrag nicht rasch neu verhandelt wird.
Aktuelle Umfragen zeigen in Großbritannien deutliche Mehrheiten für einen Wiederbeitritt des Landes zur Europäischen Union. Labour-Chef Starmer hat dies aber mehrmals kategorisch ausgeschlossen. Im Zuge des jahrelangen Ringens um den EU-Austritt hat die Oppositionspartei nämlich ihre nordenglischen Hochburgen an die regierenden Tories verloren. Der Brexit musste nämlich um fast ein Jahr verschoben werden, weil Labour den Beschluss der von der Tory-Minderheitsregierung ausverhandelten Brexitdeals im Unterhaus vereitelte. Der Brexit erfolgte im Jänner 2020, mit Ende 2020 schied das Land dann auch endgültig aus dem EU-Binnenmarkt aus.