Der frühere US-Präsident Donald Trump ist von einem Zivilgericht in New York des sexuellen Missbrauchs schuldig gesprochen worden. Eine Geschworenenjury sprach der Journalistin Jean Carroll am Dienstag insgesamt fünf Millionen Dollar (4,53 Mio. Euro) an Schadenersatz zu. Nach nur drei Stunden Beratungen gelangten die neun Geschworenen einstimmig zum Schluss, dass Trump Carroll missbraucht und verleumdet hat. Nicht bestätigt wurden Carrolls Vergewaltigungsvorwürfe gegen Trump.
Trump: "Schande"
Trump bezeichnete die Entscheidung in einer ersten Reaktion als "Schande". "Ich habe absolut keine Ahnung, wer diese Frau ist", sagte er mit Blick auf die Klägerin, die er vor knapp drei Jahrzehnten in der Umkleidekabine eines New Yorker Nobelkaufhauses vergewaltigt haben soll. Aus Trumps Wahlkampagne hieß es, dass man in Berufung gehen werde. Carrolls Anwältin Robert Kaplan zeigte sich hingegen beim Verlassen des Gerichtsgebäudes "sehr zufrieden" mit dem Spruch.
Bei zivilen Verfahren gilt in den USA für einen Schuldspruch eine niedrigere Schwelle als bei Strafprozessen: Ein solcher bedeutet im Zivilrecht, dass die Juroren eine Tat als eher wahrscheinlich denn als eher unwahrscheinlich ansehen. Bei Strafprozessen muss die Schuld hingegen zweifelsfrei erwiesen sein.
Erste handfeste juristische Niederlage von Trump
Die Entscheidung der aus sechs Männern und drei Frauen bestehenden Jury ist die erste handfeste juristische Niederlage des Ex-Präsidenten, der in zahlreiche Gerichtsverfahren verstrickt ist. Als erster Ex-Präsident der US-Geschichte muss er sich seit Anfang April in einem Strafverfahren verantworten. Wegen Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin droht dem Immobilienmagnaten eine mehrjährige Haftstrafe.
Dem Ende April gestarteten Zivilprozess war Trump ferngeblieben; er war auch nicht verpflichtet zu erscheinen. Während des Prozesses wurden jedoch Aufnahmen einer Befragung Trumps durch Carrolls Anwältin Roberta Kaplan im Oktober gezeigt. Der 76-Jährige hatte Carrolls Vorwürfe dabei erneut entschieden zurückgewiesen und betont, die frühere Kolumnistin des Magazins "Elle" sei nicht sein "Typ".
Carroll hatte Trump vorgeworfen, sie im Frühjahr 1996 in der Umkleidekabine eines New Yorker Luxus-Kaufhauses vergewaltigt zu haben. Öffentlich machte sie ihren Vorwurf erst 2019, als Trump Präsident war. Nachdem er sie der Lüge bezichtigte, verklagte Carroll den Präsidenten wegen Verleumdung und später in einer zweiten Klage wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung selbst sowie erneut wegen Verleumdung.
Freundinnen von Vergewaltigung erzählt
Carroll sagte aus, sie habe Trump in dem Nobelkaufhaus Bergdorf's helfen wollen, ein Geschenk für eine andere Frau auszusuchen. Sie hätten sich Dessous angesehen. Danach habe Trump sie in eine Umkleidekabine gelockt, ihren Kopf gegen die Wand gestoßen und sie vergewaltigt. Carroll sagte, sie könne sich nicht an das genaue Datum oder Jahr erinnern. Zwei von Carrolls Freunden bestätigten, sie habe ihnen damals von der Vergewaltigung erzählt, sie aber zur Verschwiegenheit verpflichtet. Carroll erklärte, sie habe sich 2017 entschlossen, ihr Schweigen zu brechen. Grund seien Berichte über sexuelle Übergriffe des Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein. Damals gingen viele Frauen mit Berichten über ähnliche Erfahrungen an die Öffentlichkeit.
Trump ist im Verlauf der Jahrzehnte von zahlreichen Frauen des sexuellen Fehlverhaltens bis hin zur Vergewaltigung beschuldigt worden. Während seines Präsidentschaftswahlkampfes 2016 war außerdem eine alte Tonaufnahme publik geworden, in der sich Trump anzüglich und herabwürdigend über Frauen äußerte - und darüber, dass man als Star Frauen auch an ihren Genitalien angreifen könne, wenn man es wolle. Bei der Argumentation der Anwälte Carrolls spielte auch diese Aufnahme aus dem Jahr 2005 eine Rolle. Es sei nicht - wie von Trump dargestellt - Gerede unter Männern gewesen, sondern ein Geständnis über die Art, wie er sich verhalte. So habe er es auch bei Carroll getan.
Aufgeheizte Stimmung in USA
Die Stimmung in den USA ist angesichts der rechtlichen Verfolgung Trumps aufgeheizt. Gegen den 76-Jährigen wird wegen einer Reihe möglicher Verbrechen ermittelt. Er selbst stellt das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden gegen ihn als "Hexenjagd" dar, die seine Präsidentschaftskandidatur 2024 verhindern soll. Zuletzt waren seine Umfragewerte in parteiinternen Befragungen gestiegen - Trump liegt darin deutlich vor anderen möglichen republikanischen Bewerbern.