Welche Kräfte stehen sich im Sudan gegenüber?
Es sind zwei Generäle, die das flächenmäßig drittgrößte Land Afrikas mit über 46 Millionen Einwohnern ins Chaos stürzen. Auf der einen Seite stehen die sudanesischen Streitkräfte unter dem Befehl des Machthabers Abdel Fattah Al-Burhan, auf der anderen Seite sein "Vize" Mohamed Hamdan Dagalo, Chef der Miliz RSF. Al-Burhan wird von alten Islamisten, Ägypten und dem Offizierskorps unterstützt, Dagalo von Äthiopien und Eritrea.
Worum geht es überhaupt?
Seit dem Sturz des langjährigen Diktators Omar Al-Bashir versuchen die beiden Lager, als Zweckgemeinschaft zu funktionieren und teilen sich faktisch Macht – die sie auch nicht an zivile Kräfte abtreten wollen. Das Verhältnis der beiden Militärapparate ist höchst angespannt. Die Kontrolle liegt bei der Armee von Al-Burhan, die bisher mit der RSF zusammenarbeitete. Als Voraussetzung für einen ersten Demokratisierungsschritt hätte die Miliz nun in die Streitkräfte integriert werden sollen. Der Versuch schlug fehl. Die Spannungen zwischen den Militärführern entlud sich.
Wer ist schuld an den jüngsten Gefechten?
Das ist schwer zu sagen. Die RSF beschuldigt sudanesische Soldaten, in ihr Hauptquartier einmarschiert zu sein. Die Miliz antwortete daraufhin mit einem Angriff auf den Präsidentenpalast und den nördlichen Flughafen. Die Armee, die momentan nach Berichten wohl die Oberhand behält, wiederum flog Angriffe auf Kasernen und Stützpunkte.
Wer genau sind die RSF?
Die Rapid Support Forces waren einst Al-Bashir hörig. Tausende ihrer Kämpfer gehörten der brutalen arabischen Janjaweed-Miliz an. Im eigenen Land bekämpfte diese nicht-arabische, afrikanische Stämme im sogenannten Darfur-Konflikt. Millionen Menschen wurden vertrieben, mehr als 400.000 getötet. Und trotzdem: "Einige der zivilen Gruppen haben das Gefühl, dass RSF-Führer Dagalo der Einzige ist, der zwischen dem Sudan und einem autoritären Militärherrscher steht und haben daher mehr Sympathien für ihn. Andere befürchten, dass die RSF wild und unbotmäßig ist und die Städte plündern wird", erklärt der führende Afrika-Experte Alex de Waal gegenüber der Kleinen Zeitung.
Wieso befindet sich der Sudan überhaupt in dieser Situation?
Das Land ist geprägt von 30 Jahren Diktatur unter Langzeitmachthaber Omar Al-Bashir. Der Präsident musste 2019, nach Massenprotesten und einem Militärputsch, aus dem Amt scheiden. Al-Bashir hinterließ eine Wirtschaftskrise im Land. Und Misstrauen. Demokratisierungsprozesse sollten für Stabilität sorgen, schlugen bisher jedoch fehl. Gegen eine Zivilregierung unter der Leitung von Abdalla Hamdok putschten sowohl Burhan als auch Dagalo 2021. Im April wurde abermals der Versuch gestartet, das Land unter zivile Führung zu bringen – mit dem Ergebnis der jüngsten Unruhen. "Die zivilen Parteien sind dabei untergeordnete Akteure, die sich entweder zurückziehen oder für eine Seite entscheiden", so de Waal.
Wie könnte es jetzt weitergehen?
Mehr als Hundert Zivilisten wurden bisher getötet, noch viel mehr verletzt. Die internationale Gemeinschaft drängt auf schnelle Lösungen. Experten sehen die Gewaltspirale als Albtraum-Szenario für das Land. Eine zivile Regierung scheint nun noch unrealistischer als ohnehin. Dass sich die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zurückbegeben, glauben die wenigsten. Beide Kontrahenten verfügen über genügend Waffen, um einen langen Bürgerkrieg zu führen. "Es sieht so aus, als stünde ein langer Kampf bevor", zeigt sich auch De Waal skeptisch.