Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat das umstrittene Pensionsgesetz unterzeichnet. Das ging am Samstag aus dem offiziellen Veröffentlichungsblatt der Regierung in Paris hervor.  Nach der Billigung der Pensionsreform durch den Verfassungsrat kam es am Freitagabend erneut zu Ausschreitungen. Allein in Paris wurden laut Polizei 112 Demonstranten festgenommen und 30 Mülltonnen angezündet.

In etlichen anderen Städten wie Straßburg, Lyon und Nantes kam es ebenfalls zu Protestaktionen. In Rennes wurde dabei die Tür einer Polizeistation in Brand gesteckt. Bereits tagsüber hatte es Kundgebungen sowie Straßenblockaden gegeben. In den vergangenen Monaten waren mehrfach Hunderttausende Menschen gegen die Pläne auf die Straße gegangen. Für den Samstag werden weitere Proteste erwartet. Die Gewerkschaften riefen für den 1. Mai zu neuen Protestmärschen auf.

Die obersten Verfassungshüter Frankreichs hatten in einer am Abend veröffentlichten Erklärung unter anderem dem wichtigsten Reformvorhaben der Regierung von Macron, der Anhebung des Pensionsantrittsalters von 62 auf 64 Jahre, ihre Zustimmung gegeben. Andere Punkte des Reformprojekts wiesen sie zurück. Für Macron ist es ein Erfolg in dem monatelangen Streit um die Reform. Doch die Proteste wurden am Freitag durch die Entscheidung weiter angefacht.

Drohendes Loch in Pensionskasse

Macron und die Mitte-Regierung wollen mit der Reform ein drohendes Loch in der Pensionskasse verhindern. Die Einzahldauer für eine volle Pension soll schneller steigen. Derzeit liegt das Pensionsantrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Schnitt später: Wer für eine volle Pension nicht lange genug eingezahlt hat, arbeitet länger. Mit 67 gibt es dann unabhängig von der Einzahldauer Pension ohne Abschlag - das soll so bleiben.

Das Vorhaben ist in Frankreich äußerst umstritten. Die Gewerkschaften halten es für brutal und ungerecht. Seit Anfang des Jahres streiken und protestieren regelmäßig Hunderttausende gegen die Reform. Auch im Parlament lieferten sich Regierung und Opposition einen heftigen Schlagabtausch. Um eine drohende Schlappe zu verhindern, entschied die Regierung in letzter Minute, die Reform ohne finale Abstimmung durch die Nationalversammlung zu drücken. Linke und rechtsnationale Abgeordnete, linke Senatoren und auch Premierministerin Élisabeth Borne riefen anschließend den Verfassungsrat an.

Die Abgeordneten monierten unter anderem, dass die Regierung die Reform in einem Haushaltstext verpackte und die Debattenzeit im Parlament verkürzte. Hierin sahen die obersten Hüter der französischen Verfassung jedoch kein Problem. Sie kassierten hingegen ein für größere Unternehmen verpflichtendes Verzeichnis älterer Angestellter und einen Sondervertrag für ältere Arbeitnehmer, weil diese nichts mit den Finanzen zu tun hätten.

Le Pen: "Demokratiekrise"

Die führende Rechtspopulistin in Frankreich, Marine Le Pen (Rassemblement National/RN), erklärte im Interview mit der "Kleinen Zeitung" (Samstagausgabe) dazu: "Wenn der Präsident sich nicht an die Spielregeln hält, was mehrheitlich so empfunden wird, dann kann man von einer Demokratiekrise sprechen." Macron hätte eine Abstimmung über die Pensionsreform zulassen müssen, argumentierte Le Pen, "weil er wusste, wie hochentzündlich das Thema ist." Weiters sagte Le Pen: "Emmanuel Macron ist ein Wachstumshormon für Politikverdrossene. Er umschifft die Demokratie jedes Mal, wenn das Parlament in eine andere Richtung tendiert als die Regierung."