Warten auf Donald Trump: New York ist im Ausnahmezustand. Das Kriminalgericht in Downtown Manhattan, einst als Symbol der Staatsgewalt über einem Slum voller rebellischer Iren errichtet, ist seit Tagen mit Metallgittern eingezäunt; davor steht schwerbewaffnete Polizei in Mannschaftsstärke. Überall Polizeiautos, die der NYPD, aber auch die Polizei des Staates New York, sonst eher ein seltener Anblick. Vor dem Gerichtsgebäude ein gutes Dutzend Zeltkabinen von TV-Stationen, die dazugehörigen riesigen Übertragungswagen ein paar Meter dahinter. Der Reporter von Pix11, einer lokalen Station, probt vor der Kamera nochmal kurz, ob der Ton stimmt. Bleibt er hier über Nacht? Er selber nicht, sagt er, aber Kollegen wechseln sich ab.
Schon am Montag hat sich vor dem Gericht eine lange Schlange von Journalisten gebildet, die in den Saal wollen. Handys und Laptops dürfen sie nicht mitnehmen, hat der Richter am Abend entschieden. Inzwischen ist durchgesickert, dass Trump weder Handschellen angelegt bekommt, noch wird ein "Mug Shot" aufgenommen, ein meist finster aussehendes Polizeifoto. Bislang ist die Anklageschrift geheim, aber es soll darum gehen, dass der Ex-Präsident eine Schweigegeldzahlung an die Pornodarstellerin Stormy Daniels als Geschäftsausgabe von der Steuer abgesetzt hat. Es ist das erste Mal in der Geschichte der USA, dass so eine Anklage ergeht.
Derweil filmen Fernsehteams im Hubschrauber Trumps Wagenkolonne. Sein Privatjet Trump One ist am Montagmittag in Palm Beach, Florida, gestartet und auf dem New Yorker Flughafen LaGuardia gelandet. Auf dem Flughafen und am Straßenrand winken und jubeln Trump-Fans, viele davon aus anderen Staaten angereist. Der Autokonvoi erreicht eine Stunde später den Trump Tower an der Fifth Avenue, wo der Ex-Präsident immer noch ein Apartment im obersten Stock bewohnt.
Trump-Fans in New York
Gegen halb fünf Uhr nachmittags steigt er mit seiner Frau Melania aus, winkt kurz in die Menge und verschwindet im Seiteneingang. Vor dem Trump Tower ballt sich ebenfalls Polizei. Metallbarrikaden riegeln die Bürgersteige ab; große Polizeilaster sind auf der Fifth Avenue geparkt, damit kein Fahrzeug mit einer Bombe durchkommt, und sowieso ist die ganze Avenue gesperrt, auch viele Nebenstraßen. Trump-Fans halten Transparente hoch: "Trump Won", Trump hat die Wahl gewonnen. Seine Gegner schwenken Schilder, wo sie vor dem Weltuntergang warnen. Dazwischen ein Trump-Imitator in Orange, die Knastfarbe in den USA.
New Yorks Bürgermeister Eric Adams, ein Demokrat, hat höchste Sicherheitsstufe angeordnet. Flughäfen, Bahnhöfe und der Busbahnhof der Port Authority an der West 42nd Street werden überwacht. Manhattan hat ohnehin die höchste Kameradichte der Welt, 35.000 Polizisten sind im Einsatz oder auf Abruf. "New York ist unsere Heimat, kein Spielplatz für Abenteuer", sagt Adams. Wer Gewalt begehe, werde festgenommen. Adams will Szenen wie am 6. Januar 2021 in Washington vermeiden, es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass die New Yorker Polizei zurückweicht.
Trump gibt sich kämpferisch. Er forderte Alvin Bragg, den leitenden Staatsanwalt, auf, zurückzutreten, weil sein Büro Dokumente an die Presse gegeben habe. Trumps Anwalt Joe Tacopina meinte, die Umfragewerte des Ex-Präsidenten seien auf einem Allzeithoch. In den letzten Tagen sollen sieben Millionen Dollar an Wahlkampfspenden eingegangen sein. Trump hat kurzfristig noch einen zweiten Anwalt engagiert, Todd Blanche, der zuvor Trump Kampagnenchef Paul Manafort vertreten hat und der anders als Tacopina nicht wirkt, als sei er aus einem Mafiafilm gestiegen.
"Kommunistischer Plot"
Ähnlich kämpferisch sind die Verbündeten des New Yorker Immobilienhändlers. Trumps ältester Sohn Donald Jr. sagte auf Fox News, die Verhaftung seines Vaters sei ein kommunistischer Plot und würde sogar Mao, Stalin und Pol Pot erröten lassen. Lindsey Graham, einer seiner republikanischen Unterstützer im Senat, schimpfte, die Anklage sei ein Haufen Mist, und egal, wie oft man den umrühre, es bleibe Mist.
Der Club der Jungen Republikaner von New York erklärte, wer die Anklage gegen Trump unterstütze, sei ein Verräter, denn Trump verkörpere das amerikanische Volk. Dahintersteckten radikale Linke, kontrolliert von einer internationalistischen Elite. Clubpräsident Gavin Wax sprach vom "totalen Krieg". Sollte allerdings Trump verurteilt werden, dann sollten seine Anhänger lieber zu Hause bleiben, um dem "Deep State" keine Legitimation zu liefern, das Versammlungsrecht einzuschränken.
Wax hat Marjorie Taylor-Greene eingeladen, die rechte Abgeordnete aus Georgia, die nicht nur Trump-Unterstützerin ist, sondern auch gerne in seine Schuhe steigen würde. Tailor-Greene war am Sonntag im TV-Sender CBS aufgetreten, wo sie die Demokraten als "Pädophile" bezeichnet hat. Bei einer Demonstration am heutigen Dienstag in der Downtown soll sie eine Rede halten.
Eva C. Schweitzer (New York)