Vor zwölf Jahren gab es schon einmal Massenproteste in Israel. Eine Viertelmillion Menschen demonstrierten damals gegen überzogene Lebenshaltungskosten. Teurer Hüttenkäse stand sinnbildlich für den Unmut. Am Ende wurde der Käse billiger, alles andere blieb, wie es war.
Seit drei Monaten gehen die Israelis wieder auf die Straßen. Die Viertelmillion haben sie längst überschritten. „Buscha“, brüllen sie, „Schande“ und fordern das Ende der Gesetzgebung zur Schwächung der Justiz. Unermüdlich kommen sie jede Woche, schwenken blau-weiße Landesflaggen um ihre „Demokratia“ zu verteidigen. Nicht einmal ist den Demonstranten die Luft ausgegangen. Im Gegenteil, als Premier Benjamin Netanyahu am Sonntag seinen Verteidigungsminister feuerte, rafften sich viele auf, die bisher zurückhaltend waren. Nur Stunden darauf drängten Zigtausende bei Kundgebungen auf die Straßen.
Am nächsten Morgen rief die größte Gewerkschaft zum Generalstreik auf. Israel lag lahm – und der Druck auf die rechteste und religiöseste Regierung aller Zeiten in Jerusalem wuchs. So sehr, dass die Koalition zu bröckeln beginnt und eine Verschiebung der Justizreform angekündigt wurde.
Sabine Brandes (Tel Aviv)