Die Vereinten Nationen haben sich "zutiefst besorgt" gezeigt über bekanntgewordene Hinrichtungen Dutzender Kriegsgefangener in der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor mehr als einem Jahr. "Das wurde oft unmittelbar nach der Gefangennahme auf dem Schlachtfeld verübt", sagte die Leiterin der UN-Menschenrechtskommission in der Ukraine, Matilda Bogner, am Freitag auf einer Pressekonferenz in Kiew.
Zuletzt hatte Anfang März ein Video von einer mutmaßlichen Erschießung eines ukrainischen Kriegsgefangenen durch russische Soldaten international für Entsetzen gesorgt. Auf russischer Seite würden die Verbrechen oft von der berüchtigten Söldnergruppe Wagner verübt, hieß es. Von 15 bekanntgewordenen Tötungen von ukrainischen Soldaten würden elf den Wagner-Kämpfern zugeordnet. Zugleich liefen auch ukrainische Untersuchungen zu getöteten Russen: Hier seien fünf Ermittlungen mit insgesamt 22 Opfern bekannt.
Kein Zugang zu ukrainischen Gefangenen
Die Vereinten Nationen befragten für ihren Bericht eigenen Angaben zufolge mehr als 400 Menschen auf beiden Seiten, die in Kriegsgefangenschaft sind oder waren. Russland wurde dabei vorgeworfen, den internationalen Beobachtungsteams keinen Zugang zu den ukrainischen Gefangenen zu gewähren.
Von etwas mehr als 200 bereits wieder befreiten Ukrainern habe die Mehrzahl von Misshandlungen vor ihrer Internierung berichtet, hieß es. Bei Verhören seien die Gefangenen vom russischen Militär und Geheimdienst geschlagen, an Strom angeschlossen, angeschossen, mit Messern verletzt und mit Scheinhinrichtungen bedroht worden.
Tote aufgrund von Haftbedingungen
Die Haftbedingungen seien zudem auf russischer Seite sehr schlecht. Mindestens fünf Kriegsgefangene seien aufgrund unzureichender medizinischer Behandlung gestorben, teilten die UN mit. So werde in russischen Internierungslagern etwa systematisch geprügelt. Fünf Kriegsgefangene seien an den Misshandlungen gestorben.
Von 200 interviewten russischen Kriegsgefangenen habe "gut die Hälfte" von Misshandlungen und Folter durch die ukrainischen Streitkräfte oder den Geheimdienst SBU berichtet, hieß es weiter. "Kriegsgefangene wurden geschlagen, in die Beine geschossen, in Gliedmaßen gestochen, an Strom angeschlossen, zum Schein hingerichtet, mit sexueller Gewalt oder dem Tod bedroht", sagte Bogner.
Russland ist vor mehr als einem Jahr in die Ukraine einmarschiert und hat seitdem mehrere Gebiete völkerrechtswidrig annektiert. Inklusive der bereits 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim sind derzeit etwa 20 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets von russischen Truppen besetzt.