Der Besuch des ukrainischen Präsidenten überlagerte das Treffen der Staats- und Regierungschefs und die Tagesordnung verschob sich laufend nach hinten – und damit auch die Debatten um das EU-Wirtschaftspaket sowie um den Neustart des Asylsystems. Österreich hatte, gemeinsam mit den Niederlanden, ursprünglich auf den Sondergipfel gedrängt, weil in den Augen von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) das "Schengensystem kaputt" und die Zahl der Asylanträge im Binnenland Österreich viel zu hoch sei.


Noch unmittelbar vor dem Gipfel hatte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sogar damit gedroht, die Schlusserklärung nicht unterschreiben zu wollen, sollte es keine konkreten Vereinbarungen zu Migrationsfragen geben: "Leere Worthülsen werden nicht ausreichen." Dementsprechend wurde bis in die Abendstunden an den entsprechenden Formulierungen gefeilt. Nehammer sagte vor Journalisten, das Ergebnis müsse "ein konkretes" sein, auf das man bei den nächsten Räten bauen könne. Es müsse deutlich zum Ausdruck kommen, dass eine Unterstützung passiert. Allerdings sagte er vor Beginn des Treffens in Hinblick auf Bulgarien, es müssten "Geldmittel zur Verfügung gestellt werden. Ob dann die einen dazu Zaun sagen, die anderen technische Infrastruktur – entscheidend ist, dass geholfen wird." Er habe im Vorfeld unter anderem mit Mark Rutte (Niederlande) und Georgia Meloni (Italien) gesprochen, man müsse für jedes Land individuell klären, was an den Grenzen gebraucht werde. Nehammer: "Wir kommen jetzt weiter, die Kommission hat sich ein gutes Stück bewegt."


Es gehe darum, einen systemischen Ansatz zu finden, der von Rückführungsabkommen über technische Barrieren bis zum Überwachungseinsatz reiche, was von der EU kofinanziert werden könne. Es gehe dabei etwa um die Definition von sicheren Drittstaaten oder Pilotprojekten an den Grenzen. Das bis vor Kurzem "apodiktische Nein" zur Finanzierung von Grenzzäunen sieht Nehammer mittlerweile aufgeweicht – in einer der letzten Versionen der Schlusserklärung war die Rede von "Infrastruktur", was schon ein großer Schritt im Vergleich zu davor sei. Die EU-Kommission soll Mitgliedstaaten mit EU-Mitteln bei der Verstärkung ihrer Grenzschutzkapazitäten und Infrastrukturen unterstützen. Dazu zählen auch die Kontrolle und Luftraumüberwachung sowie Ausrüstung.


Der Gipfel fordert laut Entwurf die EU-Kommission auf, Maßnahmen von Mitgliedstaaten zu finanzieren, "die direkt zum Schutz der EU-Außengrenzen beitragen, sowie zur Verbesserung des Grenzschutzes in Schlüsselländern auf Transitrouten in die Europäische Union". Grundsätzlich werden alle EU-Institutionen dazu aufgerufen, die Arbeit am inzwischen "eingeschlafenen" Asyl- und Migrationspakt wieder aufzunehmen.

Unterstützung von den Griechen


Unterstützung bekam Nehammer aus Griechenland. Regierungschef Kyriakos Mitsotakis sagte, er sei "absolut" für EU-finanzierte Zäune. "Es ist nicht logisch, dass die EU Technologie, Drohnen und Überwachung zahlt, aber nicht die Zäune selbst." Dagegen sagte der luxemburgische Ministerpräsident Xavier Bettel: "Es wäre eine Schande, wenn eine Mauer in Europa gebaut würde, mit den europäischen Sternen drauf." Für funktionierenden Grenzschutz müsse es Mittel aus dem EU-Budget geben, verlangten die ÖVP-Europaabgeordneten Angelika Winzig und Lukas Mandl. "Es braucht endlich ein Bekenntnis zu einer europäischen Asylreform. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch", forderte auch die SPÖ-Europaabgeordnete Theresa Muigg. Die grüne Delegationsleiterin Monika Vana meinte in Hinblick auf einen der österreichischen Vorschläge, das Recht auf Einzelprüfung von Asylanträgen dürfe nicht angetastet werden.