Ein mutmaßlicher Spionageballon Chinas ist in den USA abgeschossen worden. Das berichtete der US-TV-Sender CNN unter Berufung auf das US-Militär. Ein Reuters-Fotograf erklärte am Samstag ebenfalls, er habe gesehen, wie der Ballon abgeschossen wurde und an Höhe verlor. Einem Dokument zufolge sperrte die Flugbehörde FAA ein Gebiet von rund 100 Quadratmeilen über dem Atlantischen Ozean und der Küste des Bundesstaats South Carolina für zivile Flüge.
Der Spionageballon wurde abgeschossen, als er das offene Meer erreicht hatte, um Verletzungen der Bevölkerung durch etwaige Trümmer zu vermeiden.
Der über den USA gesichtete mutmaßliche Spionageballon hatte den Bemühungen um bessere Beziehungen der beiden Großmächte einen Dämpfer versetzt. Eine Reise von US-Außenminister Antony Blinken nach China wurde verschoben, wie das US-Präsidialamt mitgeteilt hatte. Das Pekinger Außenministerium hatte erklärt, es handle sich um einen zivilen Forschungsballon. China bedaure, dass er in den US-Luftraum abgetrieben sei.
Drei Flughäfen vorübergehend geschlossen
Nach der Entdeckung eines mutmaßlichen chinesischen Spionage-Ballons über den USA haben die Behörden drei Flughäfen im Osten des Landes vorübergehend geschlossen. "Um das Verteidigungsministerium bei einer nationalen Sicherheitsmaßnahme zu unterstützen", seien die An- und Abflüge an drei Flughäfen in den Bundesstaaten South und North Carolina unterbrochen worden, teilte die Luftfahrtbehörde am Samstag mit.
Zuvor hatte US-Präsident Joe Biden auf Nachfrage von Journalisten zu dem Ballon gesagt: "Wir werden uns darum kümmern." Nähere Angaben machte der US-Präsident nicht. Laut Luftfahrtbehörde handelt es sich um die vorübergehend geschlossenen Flughäfen Wilmington, Myrtle Beach und Charleston.
"Ziel des Ballons ist ganz klar Spionage und sein aktueller Weg führt ihn über sensible Stützpunkte", sagte ein Pentagon-Vertreter. In der Region befinden sich unter anderem Luftwaffen-Stützpunkte und unterirdische Atomraketen-Standorte.
Das US-Verteidigungsministerium hatte am Donnerstagabend die Sichtung des chinesischen Ballons publik gemacht. Der Ballon wurde über dem US-Bundesstaat Montana, über Mittelamerika und auch Missouri gesichtet. US-Außenminister Antony Blinken nannte das Eindringen des "Überwachungsballons" in den Luftraum der USA "inakzeptabel" und "unverantwortlich".
Zweiter Ballon über Lateinamerika
Nach der Entdeckung eines mutmaßlichen chinesischen Spionageballons über den USA ist nun nach Pentagon-Angaben ein zweiter derartiger Ballon über Lateinamerika aufgetaucht. „Nach unserer Einschätzung ist es ein weiterer chinesischer Spionageballon“, erklärte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Pat Ryder. Die Regierung in Peking warf indes mit geharnischten Worten den USA vor, China zu verleumden.
Zu dem zweiten gesichteten Ballon gab der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums nur eine äußerst kurze Erklärung ab. Er machte darin keine Angaben, wo genau der Ballon über Lateinamerika gesichtet wurde. Der erste Ballon flog derweil über die Mitte der USA Richtung Osten.
"Vorwand, um China zu verleumden"
Das Außenministerium in Peking erklärte seinerseits: „Einige Politiker und Medien in den Vereinigten Staaten benutzen den Vorfall als Vorwand, um China anzugreifen und zu verleumden.“ China habe „niemals“ das Territorium oder den Luftraum eines anderen Landes verletzt.
Die Beziehungen zwischen den USA und China sind an einem Tiefpunkt angelangt. US-Außenminister Antony Blinken nannte das Auftauchen eines "chinesischen Überwachungsballons" im Luftraum der USA "inakzeptabel" und "unverantwortlich". China wies die US-Spionagevorwürfe am Samstag entschieden zurück. "Wir akzeptieren keine grundlosen Spekulationen und Stimmungsmache", zitierte das Außenamt in Peking den obersten Außenpolitiker Wang Yi aus seinem Telefongespräch mit Blinken.
Wegen der Vorfälle hat Blinken seinen für Sonntag erwarteten Besuch in Peking abgesagt. Es wäre der erste Besuch eines US-Außenministers in China seit 2018 gewesen. Auch hätte Blinken nach Medienberichten von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping empfangen werden sollen. Zwar waren die Erwartungen an den Besuch nicht groß, doch gab es Hoffnungen, dass die Visite zu einer Beruhigung in den schwer angespannten Beziehungen führen würde.
Kein verantwortungsvolles Handeln
Die Welt erwarte, dass die USA und China ihre Beziehungen verantwortungsvoll handhabten, sagte Blinken am Freitag bei einer Pressekonferenz in Washington. Die USA täten das, und er erwarte das Gleiche auch von China. Das habe er auch dem chinesischen Spitzendiplomaten Wang Yi am Telefon gesagt, erklärte Blinken. US-Präsident Joe Biden äußerte sich bei mehreren öffentlichen Auftritten nicht zu dem Vorfall.
Unterdessen schwebt nach US-Angaben ein weiterer möglicher Spionageballon über Lateinamerika. "Wir sehen Berichte über einen Ballon, der Lateinamerika überfliegt. Wir sind dabei herauszufinden, ob es sich dabei um einen weiteren chinesischen Überwachungsballon handelt", sagte Pentagonsprecher Pat Ryder in Washington. Aus Peking gab es zunächst keine Angaben zu dem zweiten Ballon.
"Für meteorologische Zwecke"
Ein chinesischer Außenamtssprecher bekräftigte, der Ballon über den USA sei "für meteorologische und andere wissenschaftliche Forschung" benutzt worden. Er sei durch "höhere Gewalt" in den US-Luftraum eingedrungen. "Durch die Westwinddrift und wegen begrenzter Steuerungsmöglichkeiten ist das Luftschiff weit von der geplanten Route abgekommen", so der Sprecher. "Einige Politiker und Medien in den USA haben die Situation ausgenutzt, um China anzugreifen und in Verruf zu bringen."
Das Pentagon ließ das nicht gelten. "Wir wissen, dass es ein Überwachungsballon ist", sagte Ryder. Das Verteidigungsministerium hatte am Donnerstagabend die Sichtung des ersten Ballons im US-Luftraum publik gemacht. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der Ballon über dem nordwestlichen Bundesstaat Montana befunden, hieß es. Man habe das Flugobjekt bereits seit einigen Tagen im Blick.
Über Zentrum der USA
Freitagmittag erklärte Ryder, der Ballon schwebe über dem Zentrum der Vereinigten Staaten. Er bewege sich in östlicher Richtung, hieß es. Matthew Smith, ein US-Bürger, der nach eigenen Angaben normalerweise Stürme beobachte, sagte im Sender CNN, er habe den Ballon am Freitag über dem Bundesstaat Missouri gesichtet.
Das Wichtigste sei, den Ballon aus dem US-Luftraum zu bekommen, sagte Außenminister Blinken. Das Flugobjekt sei sehr wohl manövrierfähig, erklärte Pentagonsprecher Ryder. Man gehe davon aus, dass es noch mehrere Tage über US-Territorium fliegen werde. Von dem Ballon gehe jedoch keine militärische Bedrohung aus, hieß es aus dem Pentagon. In seiner momentanen Flughöhe von mehr als 18 Kilometern stelle er keine Gefahr für Menschen am Boden oder für den Flugverkehr dar.
Begrenzter Nutzen
Auch für die Informationsbeschaffung habe der Ballon nur einen begrenzten Nutzen. Für Aufsehen hatte aber die räumliche Nähe des Ballons zu einer Luftwaffenbasis in Montana gesorgt, auf der nach Angaben der Zeitung "Wall Street Journal" 150 mit Atomsprengköpfen bestückte Interkontinentalraketen vom Typ Minuteman III lagern.
Es gab auch Forderungen, den Ballon abzuschießen. Der Vorsitzende des auswärtigen Ausschusses im Repräsentantenhaus, der Republikaner Michael McCaul, sagte, der Ballon hätte niemals in den US-Luftraum eindringen dürfen. Die Regierung müsse schnell Maßnahmen ergreifen, um den Ballon daraus zu entfernen. Ex-Präsident Donald Trump schrieb in seinem Online-Netzwerk Truth Social: "Schießt den Ballon ab." Das Pentagon erteilte dem aber vorerst eine Absage. Die herabfallenden Trümmer könnten eine Gefahr für Menschen am Boden darstellen.
Auch der Präsident der renommierten außenpolitischen Denkfabrik Council on Foreign Relations mit Sitz in New York, Richard Haass, sagte dem TV-Sender CNN, man solle den Ballon abschießen. Dass Blinken seine Reise nach China absagte, kritisierte der Experte. Gerade jetzt sei es wichtig, mit China zu sprechen.
China-Reise abgesagt
Bei der Absage hatte Blinken argumentiert, die USA stünden mit China in Kontakt, die diplomatischen Kanäle seien offen. Die chinesischen Handlungen hätten aber den Zweck der Reise unterminiert, die Beziehungen zu China auf ein solideres Fundament zu stellen. Das Eindringen des Ballons in den US-Luftraum sei eine klare Verletzung der Souveränität der USA und ein Verstoß gegen internationales Recht.
Aus den Reihen der US-Republikaner kamen laute Forderungen nach einer härteren Gangart gegenüber China. Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, mahnte, Biden dürfe zu der "dreisten Missachtung der US-Souveränität" nicht schweigen. Auch der Ex-Pentagon-Chef Mark Esper, der unter Trump im Amt war, sprach von einer "dreisten Aktion". Er sagte CNN: "Die Chinesen spionieren uns schon seit Jahrzehnten aus." Die USA müssten klarmachen, dass sie sich das nicht gefallen ließen. "Man muss den Chinesen auf Augenhöhe begegnen", mahnte er. "Sie reagieren nur auf Entschlossenheit."
Das Verhältnis der beiden Länder ist schon länger äußerst angespannt. Für Streit sorgen Chinas Rückendeckung für Russlands Krieg in der Ukraine, chinesische Drohungen gegen Taiwan, Ansprüche Pekings im Südchinesischen Meer, der Handelskrieg und US-Exportkontrollen für Hochtechnologie. China wirft den USA vor, seinen Aufstieg eindämmen zu wollen und einen neuen Kalten Krieg zu verfolgen.