Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj setzt bei einem Gipfeltreffen mit der EU am Freitag auf neue Hilfszusagen. "Wir erwarten Neuigkeiten für die Ukraine", sagte Selenskyj am Dienstagabend über den Gipfel, zu dem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel in Kiew erwartet werden. Vor dem Hintergrund der Kampfjet-Debatte geht es unter anderem um weitere Militärhilfen für die Ukraine.
"Die Tatsache, dass dieses Gipfeltreffen in Kiew stattfinden wird, ist ein starkes Signal sowohl an die Partner als auch an die Feinde", sagte der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal unter Anspielung auf Russland. Er nannte den Gipfel mit der EU zudem "extrem wichtig" für den Aufnahmewunsch seines Landes, das seit dem vergangenen Juni offizieller EU-Beitrittskandidat ist.
"Wir haben den ehrgeizigen Plan, der Europäischen Union innerhalb der nächsten beiden Jahre beizutreten", hatte Schmyhal bereits zuvor in einem Interview mit der Plattform "Politico" verkündet. Schon in diesem Jahr müssten die Beitrittsverhandlungen deutliche Fortschritte machen, verlangte er.
In Brüssel wird der Vorstoß mit großer Zurückhaltung gesehen. Die EU-Kommission verweist auf einen für Oktober geplanten Fortschrittsbericht zur Ukraine. Zuletzt hatte ein Korruptionsskandal in der ukrainischen Armee die Zweifel an der Beitrittsreife des Landes verstärkt. Er führte zur Entlassung hochrangiger Regierungsvertreter.
Die deutsche Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) warb am Mittwoch bei einem Besuch in Kiew für den EU-Beitritt der Ukraine. Sie betonte jedoch, zuerst müssten "die formalen Kriterien erfüllt" sein. Die deutsche Regierung hatte sich mehrfach gegen ein Schnellverfahren ausgesprochen.
Bereits am Donnerstag wird Kommissionspräsidentin der Leyen mit vielen Mitgliedern ihres Kollegiums in Kiew erwartet, um mit der ukrainischen Regierung zu beraten. Schmyhal betonte, dieses Format gebe es "erstmals in unserer Geschichte".
Die Kommission will auch über die Ahndung des russischen Angriffskriegs sprechen. Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schlägt dazu ein Sondertribunal zur "Aggression" unter ukrainischem Recht vor, das in der EU bisher überwiegend auf Ablehnung stößt. Aus Gründen der Immunität könnte der russische Präsident Wladimir Putin damit nicht belangt werden.
US-Präsident Joe Biden kündigte derweil neue Gespräche mit Selenskyj an. Die Ukraine drängt den Westen nach der Zusage von Kampfpanzern nun zur Lieferung von Kampfjets. Vor diesem Hintergrund sagte Biden mit Blick auf Selenskyj: "Wir werden sprechen."
Am Montag hatte der US-Präsident noch die Bereitschaft zu Kampfjet-Lieferungen verneint. Auch aus dem polnischen Verteidigungsministerium hieß es, die Lieferung von F-16-Jets an Kiew sei derzeit "kein Thema". Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte in diesem Zusammenhang vor einem "Überbietungswettbewerb" gewarnt.
Israel zieht nach einem Besuch von US-Außenminister Antony Blinken nun erstmals Militärhilfe für die Ukraine in Erwägung. Regierungschef Benjamin Netanyahu sagte dem US-Sender CNN, er "denke darüber nach". Zugleich bot er sich als möglicher Vermittler an - wenn die Kriegsparteien und die USA ihn darum bitten würden.
Die USA werden der Ukraine Insidern zufolge erstmals auch Raketen mit längerer Reichweite liefern. Das 2,2 Milliarden Dollar teure Hilfspaket umfasse auch Ausrüstungen für Patriot-Luftabwehrsysteme, Präzisionsmunition und Javelin-Panzerabwehrwaffen, sagten zwei mit der Angelegenheit vertraute US-Vertreter am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Es solle noch in dieser Woche angekündigt werden. Das US-Präsidialamt lehnte eine Stellungnahme zunächst ab.
Der größte Teil des US-Pakets soll einem der Insider zufolge aus dem "Ukraine Security Assistance Initiative"-Fonds (USAI) finanziert werden. Der USAI ermöglicht es der Regierung von Präsident Joe Biden, Waffen direkt von der Industrie und nicht aus US-Waffenbeständen zu beziehen. Diese Gelder würden auch für den Kauf einer neuen Waffe, der "Ground Launched Small Diameter Bomb" (GLSDB) von Boeing, verwendet, die eine Reichweite von rund 150 Kilometer hat, hieß es. Die Präzisionsrakete ist den Herstellerangaben zufolge GPS-gesteuert, kann elektronische Störsender überwinden, ist bei allen Wetterbedingungen funktionsfähig und kann gegen gepanzerte Fahrzeuge eingesetzt werden. Die USA hatten Forderungen der Ukraine nach ATACMS-Raketen mit einer größeren Reichweite von 297 Kilometer bisher abgelehnt. Ein Argument war, dass damit keine Ziele in Russland angegriffen werden sollten.
Die US-Regierung will Insidern zufolge auch geschützte Fahrzeuge (MRAPs), Mehrfachraketenwerfer (GMLRS) und Munition liefern. Seit dem Einmarsch Russlands im Februar 2022 haben die USA der Ukraine Hilfen in Höhe von rund 27,2 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt.
In Europa hatte Frankreich am Dienstag die Lieferung von zwölf weiteren Caesar-Haubitzen angekündigt. Das Land hat bisher anders als etwa die USA, Deutschland und Großbritannien keine Kampfpanzer zugesagt. Während sich die amerikanische, britische und deutsche Regierung derzeit gegen die von Kiew geforderte Lieferung von Kampfjets aussprachen, hatte Frankreich dies nicht ausgeschlossen.
Frankreich, das bisher keine Kampfpanzer liefert, sagte Kiew zwölf zusätzliche Artilleriegeschütze vom Typ Caesar zu. Zudem sollen 150 französische Soldaten zur Ausbildung ukrainischer Soldaten nach Polen entsandt werden. Im Gegensatz zu anderen Ländern hat Paris eine Lieferung von Kampfjets nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
Spanien plant unterdessen einem Zeitungsbericht zufolge die Lieferung von vier bis sechs Panzern des Typs Leopard 2A4 an die Ukraine. Die endgültige Zahl hänge von dem Zustand der Panzer ab, berichtet die Zeitung "El Pais" unter Berufung auf Regierungskreise. Auch wie viele andere Länder Panzer lieferten, werde in den Überlegungen berücksichtigt. Eine Stellungnahme des spanischen Verteidigungsministeriums war zunächst nicht zu erhalten.