Beinahe wäre die Reise nicht zustande gekommen: Bereits im vorigen Juli wollte Franziskus nach Afrika fahren, wegen Franziskus' Knieleiden mussten diese Pläne aber verschoben werden. Heute ist es nun so weit: Vom 31. Jänner bis 3. Februar hält sich der Papst in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa auf und trifft dort unter anderem Opfer von Gewalt aus dem Osten des Landes. Danach geht es weiter nach Juba, der Hauptstadt des Südsudan. Die Demokratische Republik Kongo und der Südsudan leiden heftig unter bewaffneten Konflikten, Naturkatastrophen und humanitären Krisen.
Nun ist alles vorbereitet für eine ebenso anstrengende wie riskante Friedensmission. In beiden Ländern eskalieren in jüngster Zeit die blutigen Konflikte. Kann der Papst die Lage verbessern?
Mit seiner Pilgerreise in den Kongo verbinde er die Hoffnung, "dass die Gewalt im Osten des Landes aufhört und sich der Weg des Dialogs und der Wille, sich für Sicherheit und das Gemeinwohl einzusetzen, durchsetzen wird", erklärte Franziskus Anfang Jänner bei einer außenpolitischen Grundsatzrede an das diplomatische Korps im Vatikan. Im Südsudan wolle er sich mit seinen Begleitern "dem Ruf der Menschen nach Frieden anschließen und zum Prozess der nationalen Aussöhnung beitragen".
Vor seiner Abreise verurteilte der Pontifex die Ausbeutung des Kontinents und von dessen Einwohnern.
Franziskus mahnte darüber hinaus, dass Afrika nicht nur reich an Bodenschätzen sei. Der "geistige Reichtum" des Kontinents bestehe aus vielen Menschen, aus Buben und Mädchen, die intelligent und gebildet seien.
In beiden Ländern herrschen interne Konflikte; Bürgerkriege und Kämpfe zwischen Armeen und Rebellengruppen forderten im vergangenen Jahrzehnt Hunderttausende Leben. Sowohl im Kongo als auch im Südsudan ist die katholische Kirche ein wichtiger Mittler. Im christlich geprägten Südsudan bemüht sie sich – gemeinsam mit der anglikanischen und presbyterianischen Kirche –, den Dialog der Parteien zu befördern. Darum reisen die Vertreter dieser Kirchen gemeinsam an. Während der Tage im Südsudan von 3. bis 5. Februar wird der Papst begleitet vom anglikanischen Primas, Erzbischof Justin Welby von Canterbury, und dem Moderator der presbyterianischen Kirche Schottlands, Iain Greenshields.
Große Messe
Zunächst wird Papst Franziskus aber allein in die kongolesischen Hauptstadt Kinshasa reisen. Neben den Standardterminen mit Präsident Felix Tshisekedi und Regierungs- und Kirchenvertretern des Gastlandes ist dort eine Begegnung mit Opfern von Gewalt im Ostkongo geplant. Ursprünglich war dieses Treffen in Goma vorgesehen, der Hauptstadt der Krisenregion Nord-Kivu. Aus Sicherheitsgründen wurde es nach Kinshasa verlegt. Weiter will das Kirchenoberhaupt eine große Messe auf einem Flughafengelände von Kinshasa feiern und in einem anderen Stadion Jugendliche und Katechisten treffen.
Am vierten Tag reist der Papst von Kinshasa weiter in den Südsudan. Gemeinsam mit Welby und Greenshields wird er in der Hauptstadt Juba Binnengeflüchtete besuchen. Außerdem ist ein gemeinsames ökumenisches Gebet geplant. Alle drei wollen sich vor allem solidarisch mit den Menschen zeigen, ihre Reise nannten sie "Pilgerfahrt für den Frieden". Für den Papst steht auch eine Messe im John Garang Mausoleum Park auf dem Programm.
Fragiler Friede
Eben dieser Friede ist in beiden Ländern fragil. Im Kongo begann kürzlich der Wahlkampf um das Präsidentenamt Ende des Jahres. Die letzten Wahlen waren geprägt von Protesten und Gewalt. Ex-Präsident Joseph Kabila hatte trotz beendeter zweiter Amtszeit 2016 verfassungswidrig weiterregiert und Wahlen hinausgezögert. Erst 2019 kam der Machtwechsel. Präsident ist seither Tshisekedi. Er traf Papst Franziskus im ersten Amtsjahr gleich zweimal; zunächst zur Kardinalsernennung von Kinshasas Erzbischof Fridolin Ambongo. Bei seinem zweiten Besuch sprachen die beiden vor allem über die humanitäre Lage. Besonders im rohstoffreichen Osten des Kongo kämpfen seit vielen Jahren Rebellengruppen um die Vorherrschaft. Tausende Ostkongolesen sind derzeit auf der Flucht. Das UNO-Büro für humanitäre Angelegenheiten schätzt, dass in diesem Jahr jeder vierte Kongolese auf lebenserhaltende Unterstützung angewiesen sein wird.
Unruhig ist die Lage auch im Südsudan. 2011 erlangte die überwiegend christliche Region seine staatliche Unabhängigkeit vom muslimisch geprägten Sudan. Er gilt als "jüngster Staat der Welt", zählt zugleich zu den ärmsten. 2013 eskalierte ein Machtkampf zwischen dem ersten Präsidenten des Landes, Salva Kiir, und seinem früheren Stellvertreter und Herausforderer Riek Machar. Trotz wiederholter Verhandlungen und eines Friedensabkommens 2018 kommt es immer wieder zu Gewaltausbrüchen zwischen den Konfliktparteien. Zuletzt zu Weihnachten griffen Bewaffnete verschiedene Gemeinden an. Zuvor soll es Zusammenstöße von verfeindeten ethnischen Gruppen gegeben haben. Laut UNO sind rund 30.000 Menschen nach den Überfällen geflüchtet.
Spektakuläre Geste
2019 hatten Franziskus und Welby die beiden Rivalen Kiir und Machar zu sogenannten Besinnungstagen in den Vatikan eingeladen. An der Initiative war auch der damalige Moderator der schottischen Presbyterianer, John Chalmers, beteiligt. In einer spektakulären Geste beim Abschluss des Treffens kniete der Papst vor den Politikern nieder. Er küsste ihnen die Füße und forderte sie zum Friedensschluss für ihr Volk auf.
Der bevorstehende Afrikabesuch ist die erste Auslandsreise von Papst Franziskus im laufenden Jahr und gleichzeitig die vierzigste in seinem bald zehnjährigen Pontifikat. Seit 2013 war Franziskus viermal auf dem afrikanischen Kontinent zu Gast. Er besuchte Kenia, Uganda, die Zentralafrikanische Republik, Ägypten und Marokko. Zuletzt reiste er 2019 nach Mosambik, Madagaskar und Mauritius.
Der bisher letzte Besuch eines Papstes in Kinshasa fand im August 1985 statt, als Johannes Paul II. – nach einem ersten Besuch 1980 – zwei Tage in dem Land, das damals noch Zaire hieß, verbrachte. Für die südsudanesische Hauptstadt Juba ist der nunmehrige Papstbesuch eine Premiere. 1993 machte Johannes Paul II. für wenige Stunden in der sudanesischen Metropole Khartoum Station.