Die Sicherheitskräfte würden "entschlossen und energisch gegen den Terror handeln und jeden Beteiligten an dem Anschlag erreichen", teilte der israelische Verteidigungsminister Yoav Galant am späten Freitagabend mit. Sicherheitskräfte in Jerusalem und im Westjordanland seien bereits verstärkt worden.
Ein Angreifer hatte am Abend des internationalen Holocaust-Gedenktags das Feuer auf Menschen eröffnet, die nach dem Shabbat-Gebet eine Synagoge verließen. Sieben Menschen starben bei dem Vorfall in der israelischen Siedlung Neve Yaakov, drei weitere wurden verletzt. Ihr Zustand ist nach Krankenhausangaben stabil. Der Attentäter wurde bei seiner versuchten Flucht erschossen, wie die Polizei mitteilte. Nach ersten Erkenntnissen handelte es sich um einen 21-Jährigen aus Ost-Jerusalem. Demnach habe er allein gehandelt. Die Ermittlungen dauerten jedoch an, hieß es in der Nacht.
Ministerpräsident Benjamin Netanyahu besuchte den Tatort am Abend und rief die Bevölkerung dazu auf, das Gesetz nicht in die eigenen Hände zu nehmen. "Dafür haben wir eine Armee und eine Polizei, die vom Kabinett Anweisungen erhalten".
Das Sicherheitskabinett sei demnach für Samstagabend einberufen worden. "Wir werden entschlossen und ruhig handeln." Israels rechtsextremer Polizeiminister Itamar Ben-Gvir forderte derweil, Bürger "besser zu bewaffnen, um solche Anschläge zu vermeiden". Aus der Menge ringsum war der Ruf "Tod den Arabern" zu hören, wie AFP-Journalisten berichteten. In palästinensischen Städten wie Ramallah im Westjordanland jubelten Menschenmengen angesichts des Massakers und schwenkten palästinensische Flaggen.
Im Westjordanland und Ost-Jerusalem leben heute mehr als 600.000 israelische Siedler. Die israelischen Siedlungsaktivitäten werden von großen Teilen der Weltgemeinschaft als eklatante Verletzung geltenden Völkerrechts angesehen. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen unabhängigen Staat Palästina mit dem arabisch geprägten Ostteil Jerusalems als Hauptstadt. Jerusalem war immer wieder Schauplatz schwerer Anschläge gewesen - insbesondere während des zweiten Palästinenseraufstandes Intifada zwischen 2000 und 2005. Im vergangenen November wurde bei Bombenanschlägen an zwei Bushaltestellen ein Jugendlicher getötet und mindestens 18 weitere Menschen verletzt.
USA sagten Unterstützung zu
Die USA sagten Israel umgehend Unterstützung zu. US-Präsident Joe Biden habe Regierungschef Netanyahu in einem Telefongespräch "alle angemessenen Mittel der Unterstützung" angeboten, teilte das Weiße Haus am Freitag mit. US-Außenminister Antony Blinken, der in wenigen Tagen nach Israel und Jordanien reisen will, hatte den Angriff auf eine Synagoge in einem Vorort von Jerusalem zuvor als "grauenhaften Terror-Anschlag" verurteilt. "Wir stehen in engem Kontakt mit unseren israelischen Partnern und bekräftigen unser unerschütterliches Engagement für Israels Sicherheit", sagte Blinken in einer Erklärung am Freitag.
Der Anschlag wurde international scharf verurteilt. UNO-Generalsekretär António Guterres wertete es als "besonders abscheulich, dass dieser Angriff auf eine religiöse Stätte und am internationalen Holocaust-Gedenktag stattfand". Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, schrieb von einem "bösartigen Terrorakt gegen Juden am Holocaust-Gedenktag".
Van der Bellen "zutiefst besorgt"
Bundespräsident Alexander Van der Bellen verurteilte den "entsetzlichen Angriff" aufs Schärfste und zeigte sich "zutiefst besorgt wegen der Gewaltspirale in den vergangenen Tagen". "Es ist wichtig, dass sich alle Seiten um Deeskalation bemühen", schrieb Van der Bellen in der Nacht auf Samstag in einem persönlich gezeichneten englischsprachigen Tweet. "Es gibt keine Entschuldigung dafür, Gotteshäuser anzugreifen", schrieb das Wiener Außenamt auf Twitter. "Der Anschlag auf eine Synagoge in Jerusalem führt schmerzlich vor Augen, dass wir weiterhin entschlossen gegen Antisemitismus und Terrorismus kämpfen müssen", twitterte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). "Terror bedeutet nur Zerstörung und Mord. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, Terrorismus entschieden zu bekämpfen."
Ein Sprecher der im Gazastreifen herrschenden, radikalislamischen Hamas teilte mit, der Anschlag sei "eine Vergeltung für den Überfall der israelischen Armee auf das Flüchtlingslager Jenin am Donnerstag". Bei einem Feuergefecht mit israelischen Soldaten in der Stadt waren neun Palästinenser getötet und 20 weitere verletzt worden. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Betselem war es der tödlichste Militäransatz in dem Gebiet seit mehr als 20 Jahren.
In der Nacht auf Freitag feuerten daraufhin verbündete militante Gruppen aus dem Gazastreifen mindestens sieben Raketen auf Israel ab. Israelische Kampfflugzeuge zerstörten danach in der Küstenenklave unter anderem eine unterirdische Raketen-Produktionsstätte.
Die Gewaltspirale schürt Befürchtungen vor einer weiteren Eskalation der ohnehin schon angespannten Sicherheitslage. "Wir bewegen uns auf einem ganz schmalen Grat", sagte Michael Kobi vom israelischen Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) der Deutschen Presse-Agentur. Die Dynamik könne nicht mehr vollständig kontrolliert werden und jederzeit kippen. Bedenklich sei vor allem, dass sich immer mehr junge Palästinenser dem Aufstand anschließen und bereit seien, zu kämpfen - und zu sterben. "Sie sind frustriert und bereit, alles zu tun, um ihre aktuelle Situation zu verändern."
Die Stadt Jenin liegt keine 80 Kilometer Luftlinie von Jerusalem entfernt und gehört zu den allein von der Palästinensischen Autonomiebehörde kontrollierten Zonen. Die Stadt gilt als Hochburg militanter Palästinenser. Diese sind eng mit Gruppierungen im Gazastreifen verknüpft. Der vom Iran finanzierte Islamische Jihad ist dort hauptsächlich aktiv und greift Israel von der Küstenenklave regelmäßig mit Raketen an. Ob die Organisation für die Raketenangriffe am Freitag verantwortlich ist, war zunächst unklar.
Berichten aus dem Gazastreifen zufolge bemühten sich Ägypten und der Golfstaat Katar am Donnerstag und Freitag unter Hochdruck, eine weitere Eskalation zu vermeiden. Die Kooperation mit Israel in Sicherheitsfragen kündigte die Palästinensische Autonomiebehörde am Donnerstagabend bereits auf. Als Grund nannte die Behörde einseitige Schritte und Maßnahmen Israels im Westjordanland sowie die Vorfälle in Jenin. Ähnliche Ankündigungen hatte die Autonomiebehörde schon bei früheren Gelegenheiten gemacht - sie wurden allerdings de facto nicht umgesetzt.
Seit fast einem Jahr kommt es im Westjordanland beinahe täglich zu tödlichen Konfrontationen zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern. Seit einer Serie von Anschlägen, die Palästinenser im Frühjahr verübt haben, unternimmt Israels Armee dort vermehrt Razzien. Allein in diesem Jahr wurden in dem Zusammenhang oder bei eigenen Anschlägen rund 30 Palästinenser getötet, unter ihnen fünf Jugendliche.