Herr Weber, Sie bezeichnen 1933 als „das Jahr, in dem die Gegenwart geboren wurde“. Wie ist das zu verstehen?
THOMAS WEBER: Geschichte reicht immer in die Gegenwart hinein. Ich habe die Formulierung gewählt, weil 1933 Fakten geschaffen wurden, die uns bis heute prägen. Sowohl in der Selbstwahrnehmung als auch in der Wahrnehmung politischer Krisen. Etwa, wenn wir über den Sturm auf das Kapitol in Washington sprechen, wo in den USA sofort Parallelen zum Reichstagsbrand gezogen wurden. Bevor Russland in der Ukraine einmarschierte, wurde viel über Appeasement – Einlenken – geredet.
Wladimir Putin bemüht in der Kriegsrhetorik innenpolitisch den Kampf gegen den Faschismus. In der Ukraine wiederum wird an den Holodomor erinnert, eine von Moskau 1933 gezielt herbeigeführte Hungersnot, bei der Millionen Ukrainer starben. Auch das wirkt bis heute nach. Solche Verweise machen 1933 zum Ausgangspunkt einer Welt, die uns bis heute dominiert. Gerade auch, mit Blick auf Angst vor neuen Zusammenbrüchen.