Polen hat in Berlin offiziell beantragt, eigene Leopard-2-Kampfpanzer an die Ukraine liefern zu können. Deutschland habe "unsere Anfrage bereits erhalten", twitterte der polnische Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak am Dienstag. Er rief Berlin dazu auf, sich "der Koalition von Ländern anzuschließen, die die Ukraine mit Leopard-2-Panzern unterstützen". Parallel dazu forderte auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei einem Besuch in Berlin die Lieferung neuer Waffen.
"Entscheidener Moment im Krieg"
"In diesem entscheidenden Moment des Krieges müssen wir der Ukraine schwerere und fortschrittlichere Systeme zur Verfügung stellen, und wir müssen es schneller tun", sagte Stoltenberg nach einem Gespräch mit dem neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in Berlin. "Der einzige Weg zu einem dauerhaften Frieden besteht darin, (dem russischen Präsidenten, Anm.) Putin klar zu machen, dass er auf dem Schlachtfeld nicht gewinnen wird", so Stoltenberg. Die ukrainischen Streitkräfte müssten in der Lage sein, die Russen zurückzuschlagen "Nicht nur, um zu überleben, sondern um zu gewinnen, Territorium zurückzuerobern und als souveräner, unabhängiger Staat in Europa zu bestehen."
Zugleich würdigte Stoltenberg die Hilfe, die Deutschland bisher für die Ukraine geleistet habe. Berlin liefere unter den Verbündeten der Ukraine die "umfangreichste militärische, finanzielle und humanitäre Unterstützung" für Kiew, sagte er. "Waffen aus Deutschland retten in der Ukraine Tag für Tag Leben." Zur Lieferung von Leopard-Kampfpanzern sei er zudem "zuversichtlich, dass wir bald eine Lösung haben werden".
Auch Pistorius stellte eine rasche Entscheidung Deutschlands über die Lieferung der Leopard-Kampfpanzern in Aussicht. "Ich rechne damit, dass in Kürze eine Entscheidung fällt", sagte Pistorius nach dem Gespräch mit Stoltenberg. Er habe andere Partnerländer, die bereits über Kampfpanzer dieses Modells verfügten, "ausdrücklich ermuntert", mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten daran zu beginnen.
Die von ihm am Freitag veranlasste Abfrage der Leopard-Bestände stehe "kurz vor dem Abschluss", so Pistorius. Dabei gehe es "nicht darum, zu zählen, wie viele Panzer wir haben, das wissen wir." Vielmehr wolle die Bundesregierung "Bestände und Potenziale" der Rüstungsindustrie prüfen und die Kompatibilität der Leopard-Panzer untersuchen. Deutschland werde "sehr schnell handlungsfähig" sein.
Alle Augen auf Deutschland
Pistorius sagte, Berlin sei jetzt schon "in der Führungsgruppe" der Länder, die die Ukraine unterstützen - und erhalte dafür viel Zuspruch, unter anderem von Frankreich und den USA. Deutschland sei in dieser Frage, anders als oft dargestellt, nicht international isoliert. Bereits in der vorvergangenen Woche hatte Polens Präsident Andrzej Duda gesagt, Warschau habe entschieden, der Ukraine 14 Leopard-Kampfpanzer zu überlassen. Um den in Deutschland hergestellten Panzer an andere Länder zu liefern, ist aber die Genehmigung Berlins erforderlich.
Der Kreml warnte unterdessen vor einer weiteren Verschlechterung der deutsch-russischen Beziehungen, sollte die Bundesregierung Leopard-Kampfpanzer in die Ukraine liefern lassen. "Solche Lieferungen verheißen nichts Gutes für die Zukunft der Beziehungen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Sie würden unausweichliche Spuren hinterlassen. Dabei seien die Beziehungen schon jetzt an einem gewissen Tiefpunkt. Weder mit Berlin noch mit anderen EU- und NATO-Staaten gebe es derzeit einen Dialog, sagte Peskow.