Die Ministerin erschien zum Abschied nicht persönlich. „Die monatelange mediale Fokussierung auf meine Person lässt eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum zu“, teilte Christine Lambrecht (SPD) in einer schriftlichen Erklärung mit. Das war’s.
Zuletzt hatte die Ministerin ein verunglücktes Neujahrsvideo in Bedrängnis gebracht. Im Berliner Böllergewirr ist die Botschaft nur schwer zu verstehen, die Bilder allerdings wirken angesichts der Raketenangriffe in der Ukraine fatal. Lambrecht, 57 und Jus-Studium, hatte als Justizministerin erfolgreich CSU-Chef Horst Seehofer im Innenressort die Stirn geboten. Mit Blick auf die unsichere Lage der SPD hatte sie 2021 nicht mehr für den Bundestag kandidiert. Der überraschende Erfolg der Sozialdemokraten ließ sie aufs Innenministerium hoffen. Wurde nichts: Lambrecht wurde von Bundeskanzler Olaf Scholz ins Verteidigungsressort beordert, Scholz hatte schon als Finanzminister ihre Dienste als Staatssekretärin geschätzt.
Die Probleme bleiben
Die Ministerin geht, aber die Probleme bei der Bundeswehr bleiben. Zum einen atmosphärisch. Die Truppe setzt auf klare Ansage. Lambrecht aber erschien mal in Stöckelschuhen zu Besuch bei den Bundeswehreinheiten in Mali, mal ließ sie Liebe zum Detail vermissen. Wo der Grüne Biologe Anton Hofreiter neue Waffentypen paukte wie einst Pflanzen im Zoologie-Kurs an der Universität, wurde Lambrecht auch nach mehr als einem Jahr mangelnde Detailkenntnis nachgesagt. Die Truppe revanchierte sich auf ihre Art, Pannen am Panzer Puma oder fehlende Munition, alles sickerte durch.
Debatte um Nachfolge
Lambrecht ist nicht die erste Politikerin, die in Deutschland im Verteidigungsressort scheiterte - parteiübergreifend. Franz Josef Strauß (CSU) stolperte in Kalte-Kriegs-Zeiten 1963 über die Spiegel-Affäre und Falschaussagen im Bundestag, Rudolf Scharping (SPD) musste 2002 nach Pool-Bildern in Badehose gehen, weil deutsche Soldaten zeitgleich auf dem Balkan kämpften. Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) erschien nach Truppenbesuch zwar noch mit Afghanistan-Staub auf den Schuhen auf Berliner Abenddinners, doch konnte auch das seine Unregelmäßigkeiten in der Promotion nicht retten. Selbst Ursula von der Leyen (CDU) hatte nach dem sogenannten Traditionserlass – die Bundeswehr sollte sich konsequent von alten Wehrmachtskämpfern als militärische Vorbilder trennen – Probleme mit dem Truppenstanding. Emmanuel Macron rettete sie aus der Sackgasse und machte sie vor drei Jahren zur EU-Kommissionschefin. Die militärische Vergangenheit kommt nach Russlands Angriff auf die Ukraine nicht ungelegen.
Die Schwierigkeiten mit dem Verteidigungsressort sind zwangsläufig. Das Zivile der Politik trifft auf das Militärische. Reserveoffizieren der Bundeswehr wird in der Politik geraten, sich von Verteidigungsfragen fernzuhalten. Das führt mitunter zu Missverständnissen. So wird in den Medien nun gelästert, Lambrecht kenne die Größe einer Brigade und Division nicht. Das kennen viele Berichterstatter aber auch nicht.
Lehren aus der Geschichte
Hinter dem Fremdeln zur Armee steckt ein tieferes Problem. Als Lehre der Geschichte setzt Deutschland vorrangig auf Soft-Power, auch wenn in Zeitewendezeiten Hard-Power gefragt ist. Ein typisch deutsches Missverständnis.
Wer kann nachfolgen?
Nachfolgekandidaten für Lambrecht werden schon gehandelt. SPD-Chef Lars Klingbeil etwa, der war zwar Punk und leistete Zivildienst, ist aber Sohn eines Berufsmilitärs. SPD-Sozialminister Hubertus Heil weiß wie man ein Ressort führt. Eva Högl, Wehrbeauftragte des Bundestags und ehemalige SPD-Abgeordnete, kennt die Truppe und teilt mit Scholz den Geburtsort (Osnabrück). Sie forderte in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ aber just 300 Milliarden Euro für die Bundeswehr.
Könnte schwierig werden. Vorwärtsverteidigung ist zwar beim Militär nicht gefragt, zu viel forsche Offensive, zumal in Medien, schätzt ein anderer aber nicht: Bundeskanzler Olaf Scholz, noch ein Zivi in höchsten Ämtern.
Peter Riesbeck (Berlin)