Vetodrohungen gehören in Brüssel zur Tagesordnung. Obwohl sich die 27 EU-Mitgliedstaaten als Schicksalsgemeinschaft, die dem globalen Gegenwind trotzt, verstehen, gibt es immer das eine oder andere Land, dem was nicht passt – aus taktischen Gründen, gelegentlich aus innenpolitischer Erwägung, etwa, weil Wahlen anstehen, oft auch aus sehr hehren Überlegungen.
Seit dem Beitritt vor bald 28 Jahren hat Österreich immer wieder in Brüssel mit einem Veto gedroht, letztlich aber mangels Erfolgsaussicht doch wieder eingelenkt. So konnten weder die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei verhindert noch die Errichtung von Temelin gestoppt werden – in beiden Fällen saß zum damaligen Zeitpunkt gerade die FPÖ in der Regierung. Gescheitert ist Österreich auch mit seinen Forderungen nach einem EU-weiten Gentechnik- oder AKW-Verbot.
Kleine Zugeständnisse
Allerdings konnten kleine Zugeständnisse erzielt werden. Ein langjähriger österreichischer EU-Spitzendiplomat erinnert sich an die Forderungen des steirischen wie auch des Kärntner Landtags, Slowenien nur in die EU zu lassen, wenn das Akw Kr(s)ko abgedreht wird. "Das war keine leichte Situation." Nach langem Hin und Her konnte die Errichtung eines Frühwarnsystems, das an die Landeswarnzentrale in Graz und Klagenfurt angeschlossen ist, durchgesetzt werden. Kr(s)ko blieb am Netz, Slowenien trat 2004 der EU bei.
Das Tauziehen um Temelín und den tschechischen Beitritt mündete in den Melker Prozess. "Milo(s) Zeman musste vor der Verhandlungsrunde trocken gelegt werden", spielt der Spitzendiplomat auf den überschießenden Alkoholkonsum des ehemaligen tschechischen Premiers an. Prag verpflichtet sich zur Durchführung einer internationalen Umweltverträglichkeitsprüfung, das AKW musste nachgerüstet werden. Wien rückte im Gegenzug von seiner Forderung nach Schließung von Temelín ab. In der EU entscheidet jedes Land über seinen Energiemix.
Mini-Erfolge beim Transit
Den Kürzeren zog Österreich auch bei der Türkei. "Hätten wir die Aufnahme von Verhandlungen mit der Türkei auf Dauer blockiert, wäre Kroatien heute immer noch nicht in der EU", betont der Spitzendiplomat. Durch einen diplomatischen Kniff hatte der britische EU-Vorsitz erwirkt, dass bei der Sitzung zuerst über die Türkei und erst dann über Kroatien abgestimmt wird.
Beim Transit konnten nur Mini-Erfolge erzielt werden. Früh musste Österreich von der Idee Abschied nehmen, dass der Verkehr am Brenner begrenzt wird. Durch das Ökopunktesystem konnte zumindest erreicht werden, dass in den ersten Jahren nur schadstoffarme Fahrzeuge die Alpen queren. "Dass der Brennertunnel mithilfe von EU-Geldern gebaut wird, ist auch eines der Resultate", so der langjährige EU-Insider. Bis zur Fertigstellung des Supertunnels werden noch ein paar Jahre vergehen.