Sowohl sein eigenes Kabinett als auch die Opposition witterten einen Staatsstreich und ließen den früheren Dorfschullehrer Pedro Castill auflaufen. Am Ende des Tages war die bisherige Vizepräsidentin Dina Boluarte neue Staatschefin.
Castillo hingegen sollte die Nacht in Haft verbringen - Vorwurf: Rebellion. Mit großer Mehrheit enthob der Kongress den 53-Jährigen am Mittwoch wegen "dauerhafter moralischer Ungeeignetheit" des Amtes. Gegen den Staatschef laufen einige Ermittlungsverfahren wegen Korruptions- und Plagiatsvorwürfen. Auch gegen zahlreiche Parlamentarier wird wegen verschiedener Vorwürfe ermittelt. Wegen Korruption wurde in Argentinien diese Woche auch Vizepräsidentin Cristina Kirchner verurteilt, in Guatemala Ex-Präsident Otto Pérez Molina.
Für Amtsenthebung gestimmt
101 Parlamentarier stimmten in Peru schließlich für die Amtsenthebung, sechs dagegen und zehn enthielten sich. Das eindeutige Votum hat sich Castillo mit seiner Machtprobe wohl selbst zuzuschreiben. Noch am Morgen war unklar gewesen, ob die 87 Stimmen für den Misstrauensantrag überhaupt zusammenkommen.
Dann kündigte Castillo die Auflösung des Kongresses an. Er wollte eine Notstandsregierung einsetzen und künftig per Dekret regieren. "Der Kongress hat den Rechtsstaat, die Demokratie und das Gleichgewicht zwischen den Staatsgewalten zerstört", sagte Castillo. "Wir rufen alle Institutionen der Zivilgesellschaft und alle sozialen Gruppen dazu auf, die Entscheidung zu unterstützen."
Politiker aus dem Regierungslager und der Opposition werteten dies als Staatsstreich. Castillo stand damit im Gegensatz zum damaligen Präsidenten Alberto Fujimori, der 1992 mit einem Putsch die Kontrolle über das südamerikanische Land übernahm, recht alleine da.
Boluarte neue Präsidentin
Zwar ist der Kongress laut Umfragen wegen vieler Korruptionsvorwürfe noch deutlich unbeliebter als die Regierung. Doch mit seiner Kraftprobe ging der Staatschef wohl zu weit: Zahlreiche Kabinettsmitglieder gingen ihm von der Fahne, allen voran Vizepräsidentin Dina Boluarte. "Ich lehne die Entscheidung von Pedro Castillo ab, durch die Auflösung des Kongresses den Zusammenbruch der verfassungsmäßigen Ordnung herbeizuführen", schrieb sie auf Twitter.
Nach der Absetzung Castillos wurde Boluarte als neue Präsidentin vereidigt. "Ich bin mir der enormen Verantwortung bewusst, die auf mich zukommt, und rufe zur Einheit aller Peruaner auf", sagte die 60-jährige Juristin in ihrer Antrittsrede. "Ich rufe zu einem breiten Dialog zwischen allen politischen Kräften auf." Boluarte ist die erste Staatschefin in der Geschichte des Andenstaats.
Castillo wurde schließlich im Zentrum der Hauptstadt Lima festgesetzt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm einen Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung des Landes vor. Gegen ihn werde wegen des Verdachts der Rebellion ermittelt, teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit.
Die USA verurteilten die Auflösung des Kongresses durch Castillo als Verfassungsbruch. UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte jeglichen Versuch, die demokratische Ordnung zu untergraben. Mexikos Regierung hingegen zeigte sich offen, dem abgesetzten Präsidenten Asyl zu gewähren. Er habe noch in der mexikanischen Botschaft Zuflucht suchen wollen, sagte Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador am Donnerstag. Die Organisation Amerikanischer Staaten stellte sich hinter die neue Präsidentin Boluarte.
Regierung unter Druck
Castillos Regierung stand seit dem Amtsantritt des ehemaligen Dorfschullehrers im Juli vergangenen Jahres unter Druck. Wegen verschiedener Vorwürfe und Meinungsverschiedenheiten räumten immer wieder wichtige Minister ihre Posten. Erst vor zwei Wochen ernannte Castillo eine neue Kabinettschefin - die fünfte in knapp eineinhalb Jahren. Seit seinem Amtsantritt hatte er bereits zwei Amtsenthebungsverfahren überstanden.
Der Linkspolitiker hatte bis zu seiner Wahl zum Präsidenten nie ein politisches Amt inne. Der Bauer, Lehrer und Gewerkschaftler vertrat vor allem das ländliche Peru. Doch gerade Landwirte und Indigene konnten vom beachtlichen Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre kaum profitieren. Während der Corona-Pandemie hatte Peru eine der höchsten Sterblichkeitsquoten weltweit - viele der 33 Millionen Peruaner konnten es sich schlicht nicht leisten, zu Hause zu bleiben.
"Castillos Entscheidung, den Kongress aufzulösen, während sich die Abgeordneten auf die Abstimmung über seine Amtsenthebung vorbereiten, ist ein Beweis für die Schwäche des Präsidenten und seine mangelnde politische Strategie", sagte die peruanische Politikwissenschafterin Andrea Moncada im Fachmagazin "Americas Quarterly". "Castillo glaubte, so ein Amtsenthebungsverfahren vermeiden zu können, aber es war eine impulsive, schlecht durchdachte Entscheidung."