Nach Massenprotesten gegen die strikten Coronaregeln hat China angekündigt, die Impfkampagne für ältere Menschen vorantreiben zu wollen. "Wir sollten die Impfung gegen Covid-19 beschleunigen, insbesondere bei älteren Menschen", sagte Mi Feng, ein Sprecher der Pekinger Gesundheitskommission, am Dienstag. In den Großstädten war die Polizeipräsenz zuvor massiv verstärkt worden. Für Montagabend geplante Proteste kamen nicht zustande.
In der Hauptstadt Peking und in Metropolen wie Shanghai, Guangzhou und Hangzhou waren seit Montag verstärkt Sicherheitskräfte auf den Straßen zu sehen. Vielfach wurden Passanten angehalten, mussten sich ausweisen und ihre Handys zeigen. Die Mobiltelefone wurden auf verdächtige Inhalte oder Programme wie Tunneldienste (VPN) zur Umgehung der chinesischen Zensur untersucht. Aus Protest gegen die rigorosen Null-Covid-Maßnahmen wie Ausgangssperren, Zwangsquarantäne, Massentests und ständige Kontrolle über Corona-Apps waren am Wochenende in mehreren Städten Tausende von Menschen auf die Straßen gegangen. In Peking riefen sie "Hebt den Lockdown auf" und "Wir wollen keine PCR-Tests, wir wollen Freiheit". Es waren die größten Proteste in China seit der Demokratiebewegung, die das Militär 1989 blutig niedergeschlagen hatte.
Wut in der Bevölkerung
Indes beherrschte die Wut über das radikale Vorgehen der Regierung zur Pandemiebekämpfung weiterhin den Alltag. "Die Politik ist jetzt einfach zu streng. Sie tötet mehr Menschen als Covid", sagte ein 17-jähriger Passant. "Wir löschen alle verzweifelt unsere Chatverläufe", sagte ein Demonstrant. Überall seien Polizisten. "Sie haben die Personalien einer Freundin aufgenommen und sie abgeführt." Einige Stunden später sei sie wieder freigekommen. Das chinesische Außenministerium betonte, dass Rechte und Freiheiten im Rahmen der Gesetze ausgeübt werden müssten.
Andernorts gab es Kundgebungen. In der Sonderverwaltungszone Hongkong, wo 2019 Massenproteste gegen die Peking-nahe Regierung stattgefunden hatten, versammelten sich Dutzende Menschen an der Chinesischen Universität. "Schaut nicht weg, vergesst nicht", skandierten die Demonstranten. In Hangzhou, rund 170 Kilometer südwestlich von Shanghai, gab es trotz strenger Sicherheitsvorkehrungen sporadische Proteste im Stadtzentrum, dabei wurden zehn Menschen festgenommen, wie ein Teilnehmer berichtete.
Festnahme eines Reporters
Wegen der Festnahme eines BBC-Reporters am Rande regierungskritischer Proteste in Shanghai bestellte das britische Außenministerium den chinesischen Botschafter ein. "Wir haben deutlich gemacht, dass dieses Verhalten der chinesischen Behörden völlig inakzeptabel ist", zitierte die Nachrichtenagentur PA am Dienstag Regierungskreise in London. Der Kameramann wurde der BBC zufolge beim Filmen einer Demonstration von Polizisten auch geschlagen.
Keine Abkehr von den strikten Maßnahmen
Trotz der massiven Proteste stellte die Gesundheitskommission am Dienstag keine Abkehr von den strikten Maßnahmen in Aussicht. Sie forderte lediglich dazu auf, bereits zuvor angekündigte Anpassungen "schnell und gründlich" umzusetzen, um die "verursachten Unannehmlichkeiten" zu verringern. Auch sollten die Behörden bestehende Regeln korrekt umsetzen und auf die "falsche Praxis" zusätzlicher Maßnahmen verzichten, hieß es.
Die Proteste vom Wochenende richteten sich gegen eine übereifrige und wenig zielgerichtete Umsetzung der Pandemiebeschränkungen, sagte Cheng Youquan, ein Beamter der Seuchenkontrollbehörde. Die Maßnahmen an sich würden nicht infrage gestellt. Die Regierung in Peking werde rasch auf die Schwierigkeiten reagieren, auf die die Demonstranten aufmerksam gemacht hätten.
Auslöser der aktuellen Protestwelle war ein Hochhausbrand in Ürümqi (Chinesisch: Wulumuqi), der Hauptstadt der westchinesischen Region Xinjiang, bei dem zehn Menschen ums Leben gekommen waren. In sozialen Netzwerken verbreitete sich die Ansicht, dass das Gebäude teilweise verschlossen war und es viele Bewohner deshalb nicht rechtzeitig herausschafften. Die Behörden bestritten auf einer Pressekonferenz, dass Anti-Corona-Maßnahmen die Flucht- und Rettungsbemühungen behindert hätten.