Kaum ist das Smartphone in der Hand, um den QR-Code für die Speisekarte zu öffnen, wird es dunkel. Nur das Handy spendet bläuliches Licht. Mitarbeiter in Kochhüten schneiden auf einer Theke Sushi-Rollen zurecht. Die Küche bleibt jetzt kalt.

Gäste stehen vor dem China Ma auf dem unbeleuchteten Gehsteig. Nicht nur die Nacht ist draußen finster, sondern der ganze Innenstadtbezirk. Uber und andere Online-Vermittlungsdienste zur Beförderung haben in Kiew schon vor Jahren Taxis verdrängt. Ohne stabiles Netz bleibt vielen nur der Gang zu Fuß. Vielleicht findet sich eine bessere Internetverbindung auf dem Weg, die es erlaubt, einen Fahrer zu bestellen.

Nacht und Novembernebel liegen wie Watte über den Straßen. Die Straßenleuchten sind dunkel. Einige Passanten tragen Stirnlampen. Häuserblocks mit bis zu zwanzig Stockwerken ragen wie finstere Stalagmiten in die Höhe. Man kann sich vorstellen, wie Bewohner gerade mit Taschenlampen in den Treppenhäusern Stufe um Stufe in die Höhe steigen oder im schlimmsten Fall im Lift stecken. Fotos von Überlebenspaketen mit Wasserflaschen, Keksen und Riegeln in Aufzügen machen in Kiew die Runde. Aufmerksame Nachbarn haben sie dort für ihre Hausgemeinschaft deponiert.

Russische Raketen vom Typ Kalibr trafen mitten im Morgenverkehr am 10. Oktober um 8 Uhr die Innenstadt. Sieben Menschen starben, 49 wurden verletzt. Die Geschosse zielten auf Relaisstationen, Kraftwerke und Versorgungsunternehmen in der Hauptstadt. Raketen schlugen am 10. Oktober in Kraftwerken in der ganzen Ukraine ein. Als die Angriffe drei Stunden später abebbten, hatten sie nach Angaben der Regierung in Kiew 30 Prozent der für die Stromerzeugung nötigen Einrichtungen beschädigt.

Eine zweite Welle von Angriffen am 17. und 18. Oktober richtete noch einmal so viel Schaden an wie die ersten Attacken. Ein dritter Schlag gegen Kraftwerke, Leitungen und Umschaltstationen folgte am 31. Oktober. Leicht manövrierbare Drohnen aus dem Iran wichen dabei immer wieder der Luftabwehr aus. Mit Strom betriebene Wasserpumpen fielen in ganz Kiew aus.