Während sich Italien weiterhin weigert, einen Landeshafen für drei Rettungsschiffe mit circa 1000 Menschen an Bord zuzuweisen, hat die Europäische Kommission betont, dass es "eine moralische und rechtliche Verpflichtung" der EU-Mitgliedsstaaten sei, Menschen zu retten. Der Fall sorgt europaweit für Diskussionen.

"Eine moralische und rechtliche Verpflichtung"

Die EU sei nicht für die Koordinierung von Rettungsaktionen auf See zuständig, aber es sei eine moralische und rechtliche Verpflichtung für die EU-Mitgliedsstaaten, Menschen zu retten, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission am Donnerstagnachmittag, während des Besuchs von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in Brüssel.

Die "Humanity 1" der deutschen Hilfsorganisation SOS Humanity urgiert nach zehn Tagen auf See und elf unbeantworteten Landeanfragen bei den Behörden Italiens und Maltas immer noch einen sicheren Hafen für 179 im zentralen Mittelmeer gerettete Menschen. In der Zwischenzeit verschlechtere sich die gesundheitliche Lage an Bord, warnte die NGO, eine Grippeinfektion habe sich ausgebreitet.

Neben der "Humanity 1" warten auch die "Ocean Viking" von SOS Méditerranée und die "Geo Barents" von Ärzte ohne Grenzen auf die Zuweisung eines Hafens, um die Bootsmigranten an Land zu bringen. Auf der "Ocean Viking" befanden sich zuletzt etwas mehr als 234 Migrantinnen und Migranten, auf der "Geo Barents" 572. Die freiwilligen Helferinnen und Helfer retteten sie in den vergangenen Tagen in mehreren Einsätzen.

Innenminister Matteo Piantedosi hat am Donnerstagnachmittag per Videokonferenz an einem Treffen der MED5-Gruppe teilgenommen, zu der neben Italien auch Zypern, Griechenland, Malta und Spanien gehören. Während des Treffens betonte Piantedosi die Notwendigkeit, eine gemeinsame Position für alle fünf Mittelmeerländer zu entwickeln, um die "Migrationsströme" zu regeln. Der italienische Innenminister forderte einen "Strategiewechsel", der durch die Stärkung der Kanäle für die reguläre Einreise in die EU auch durch die Intensivierung der Beziehungen zu den Herkunfts- und Transitländern der Migrantinnen und Migranten erreicht werden müsse. Dieser Ansatz ziele darauf ab, den Menschenhandel zu bekämpfen, sagte Piantedosi.

Die deutsche Regierung hat in einem Schreiben die italienische Regierung zur Aufnahme der 179 Menschen aufgefordert, die sich seit Tagen an Bord des Rettungsschiffes "Humanity 1" befinden. Laut der deutschen Regierung leisten "zivile Organisationen, die sich für die Rettung von Migranten einsetzen, einen wichtigen Beitrag zur Rettung von Menschenleben im Mittelmeer".

Außenminister Antonio Tajani erwiderte, dass Europa das Einwanderungsthema nach dem Subsidiaritätsprinzip in die Hand nehmen müsse. "Die Frage der NGO-Schiffe ist keine deutsche Angelegenheit, sondern eine Frage des europäischen Rechts. Wir fordern, dass alle Schiffe, die Menschen auf See aufnehmen, wenn sie in einem italienischen Hafen anlegen wollen, uns mitteilen, wie viele Menschen an Bord sind und woher sie kommen. Wir benötigen einen vollständigen Bericht. Es ist eine Frage der nationalen Sicherheit", sagte Tajani.

"Wo soll ein norwegisches Schiff hin? Nach Norwegen ..."

Noch deutlicher drückte sich Infrastrukturminister Matteo Salvini aus. Er rief das Flaggenland der Schiffe, die geretteten Menschen aufzunehmen. "Wo soll ein norwegisches Schiff hin? Einfach, nach Norwegen ...", schrieb der Lega-Chef in einem Tweet.

Der französische Innenminister Gérald Darmanin hegt "keinen Zweifel", dass Italien "das Völkerrecht respektieren wird" und die "Ocean Viking" der NGO SOS Méditerranée aufnehmen wird. "Das internationale Recht ist eindeutig: Wenn ein Schiff mit Schiffbrüchigen an Bord einlaufen will, muss der sicherste und nächstgelegene Hafen es aufnehmen. Insbesondere Italien", sagte der Minister laut Medienangaben.