Die drei noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke sollen noch bis zum 15. April in Betrieb bleiben. Auf Basis seiner Richtlinienkompetenz ordnete Deutschlands Kanzler Olaf Scholz (SPD) an, die gesetzliche Grundlage zu schaffen, um die Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 sowie Emsland über den 31. Dezember hinaus bis längstens zum 15. April 2023 zu betreiben. Das teilte ein Regierungssprecher am Montag in Berlin mit.

FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner begrüßte die Entscheidung: "Es ist im vitalen Interesse unseres Landes und seiner Wirtschaft, dass wir in diesem Winter alle Kapazitäten der Energieerzeugung erhalten. Der Bundeskanzler hat nun Klarheit geschaffen", teilte Lindner am Montag in Berlin mit. Die weitere Nutzung des Kernkraftwerks Emsland sei dabei "ein wichtiger Beitrag für Netzstabilität, Stromkosten und Klimaschutz". Der Vorschlag finde daher "die volle Unterstützung der Freien Demokraten".

Wochenlanger Streit vorausgegangen

Vorangegangen war ein wochenlanger Streit. Scholz hatte am Sonntagnachmittag bereits zum dritten Mal mit Lindner sowie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu dieser Frage beraten. Im Anschluss waren wie schon bei den vorherigen Beratungen keine Ergebnisse verkündet worden.

Die Grünen wollten die beiden süddeutschen Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim 2 bis zum 15. April in Reserve halten und bei Bedarf weiter für die Stromerzeugung nutzen. Dafür bräuchte es keine neuen Brennelemente. Das dritte noch verbleibende AKW Emsland in Niedersachsen hingegen hätte nach dem Willen der Grünen mit 1. Jänner 2023 endgültig abgeschaltet werden sollen. Im Deutschlandfunk hatte Julia Hamburg, Grünen-Politikerin in Niedersachsen, darauf verwiesen, dass derzeit Windräder abgeschaltet würden, weil das Atomkraftwerk dauerhaft am Netz sei. Der Weiterbetrieb sei deshalb nicht notwendig. Am Wochenende hatte der Grünen-Bundesparteitag einen solchen über das Jahr 2022 hinaus ausgeschlossen.

Die FDP verlangte dagegen einen Weiterbetrieb aller drei Kraftwerke bis ins Jahr 2024 und gegebenenfalls die Reaktivierung bereits stillgelegter AKW.

Atomausstieg gesetzlich verankert

Da der Atomausstieg zum Jahreswechsel gesetzlich verankert ist, erfordert jede Verlängerung des AKW-Betriebs eine Gesetzesänderung. Damit diese noch umgesetzt werden kann, muss sie noch in dieser Woche vom Bundestag beschlossen werden. Bis spätestens Mittwoch musste also eine Einigung der Koalitionsfraktionen stehen.

In dem Schreiben von Scholz am Montag, das an Habeck und Lindner sowie an Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) adressiert ist, heißt es, dass es "parallel zu dieser Entscheidung" über die Atomkraftwerke ein ehrgeiziges Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz vorgelegt werden solle. Zudem solle die Verständigung von Bund, Nordrhein-Westfalen und Energiekonzern RWE zum Kohleausstieg im Rheinischen Revier "gesetzgeberisch umgesetzt" werden. Die Vereinbarung dazu sieht unter anderem vor, zwei Braunkohlekraftwerke länger laufen zu lassen, bis 2024, aber den Kohleausstieg im Rheinischen Revier um acht Jahre auf 2030 vorzuziehen.

In seinem Schreiben bittet Scholz die zuständigen Minister, "die entsprechenden Regelungsvorschläge dem Kabinett nun zeitnah vorzulegen".