Wegen der Gewalt gegen Demonstranten im Iran haben die Außenminister der Europäischen Union Sanktionen gegen die Sittenpolizei und weitere Verantwortliche des Landes beschlossen. Auf der am Montag im Amtsblatt der EU veröffentlichten Sanktionsliste stehen elf Verantwortliche sowie vier Organisationen, darunter neben der Sittenpolizei auch die Cyber-Einheit der Revolutionsgarden. Gegen sie werden Einreiseverbote verhängt, zudem wird ihr Vermögen in der EU eingefroren.
Kurz vor Bekanntwerden der Entscheidung der EU hatte der Iran für den Fall von Sanktionen eine "umgehende" Reaktion angekündigt. Teheran werde "umgehend entsprechend der Entscheidungen und Maßnahmen" der EU-Mitgliedsländer selbst "entscheiden und handeln", erklärte ein Sprecher des iranischen Außenministeriums am Montag. "Wenn sie neue Sanktionen einleiten, ist diese Aktion definitiv unkonstruktiv und irrational."
Ruchlose Verbrechen der "Sittenpolizei"
Die EU wird nach Angaben der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock Sanktionen gegen die iranische Sittenpolizei verhängen. Ziel sei es, die Verantwortlichen für brutale Verbrechen an Frauen, Jugendlichen und Männern zur Verantwortung zu ziehen, sagte die Grünen-Politikerin am Montag in Luxemburg.
Die Europäische Union sucht auch nach konkreten Beweisen für eine Beteiligung des Iran am Krieg in der Ukraine. "Wir werden nach konkreten Beweisen für die Beteiligung suchen", sagt der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba werde daran teilnehmen, fügt Borrell hinzu. Die Ukraine spricht davon, dass Russland auch mit Drohnen iranischer Bauart angreift.
Auf alle diese Maßnahmen hatten sich Vertreter der EU-Staaten in Brüssel bereits in der vergangenen Woche geeinigt. Weitere Themen bei dem Treffen in Luxemburg werden die Beziehungen zwischen der EU und China sowie der gewaltsame Konflikt in Äthiopien und die bevorstehende UNO-Klimakonferenz sein.
Über die Ausbildungsmission für die ukrainischen Streitkräfte sollen ab Mitte November Trainingsprogramme für rund 15.000 Soldaten angeboten werden. Um das Risiko zu minimieren, dass Russland die Ausbildungsmission angreift, werden sie allerdings nicht in der Ukraine, sondern in Ländern wie Polen und Deutschland organisiert.
Die neuen Iran-Sanktionen sollen nach Angaben von Diplomaten Personen und Organisationen treffen, die für die jüngste Unterdrückung von Protesten in dem Land verantwortlich gemacht werden. Laut einem Medienbericht sollen 16 regierungsnahe Einzelpersonen und Organisationen auf eine Sanktionsliste gesetzt werden. Dabei gehe es um Vertreter und Zweige der Sicherheitskräfte, die seit Wochen hart gegen die Proteste vorgehen, berichtete das Nachrichtenportal "The Pioneer" am Montag.
Kopftuchzwang wird brutal beibehalten
Darunter ist demnach unter anderem die iranische Sittenpolizei. Sicherheitskräfte waren zuletzt brutal gegen Menschen vorgegangen, die landesweit gegen den repressiven Kurs der Regierung, den Kopftuchzwang sowie das Herrschaftssystem demonstrieren.
Auslöser der Proteste ist der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Die junge Frau war am 16. September unter ungeklärten Umständen gestorben, nachdem sie wegen ihres angeblich "unislamischen Outfits" von der Sittenpolizei festgenommen worden war. Kritiker werfen der Moralpolizei vor, Gewalt angewendet zu haben. Die Polizei weist die Vorwürfe entschieden zurück.
Demonstranten zünden Reifen an
Im Iran ist es nach dem Brand in einem Gefängnis zu erneuten Protesten gekommen. Am Montag gingen Regierungsgegner in Yazd im Zentrum des Landes sowie in mehreren anderen Städten auf die Straßen, darunter auch in Piranshahr nordwestlich von Teheran. Auf dem von vielen Menschen abonnierten Twitter-Konto Tasvir1500 wurde ein Video veröffentlicht, in dem Menschen Reifen in Brand setzten und den Tod des obersten geistlichen Führers Ayatollah Ali Khamenei forderten.
Reuters konnte die Authentizität der Aufnahmen nicht überprüfen. Die Sicherheitskräfte konzentrieren ihre Einsätze gegen Regierungskritiker auf den Nordwesten Irans, wo die meisten der zehn Millionen Kurden des Landes wohnen. Die Proteste sind allerdings auf weitere Minderheiten in anderen Landesteilen übergesprungen. Trotz des Einsatzes der gefürchteten Basij-Milizen und freiwilliger Militäreinheiten ist es der Regierung bisher nicht gelungen, die seit Wochen andauernden Proteste einzudämmen. Die Elitetruppe Revolutionsgarden ist bisher nicht gegen die Demonstranten eingesetzt worden. Sie haben am Montag Manöver gestartet.