Der Spitzenpolitiker der Rechtsaußenpartei Fratelli d ́Italia (FdI - Brüder Italiens) und Mussolini-Verehrer Ignazio La Russa ist am Donnerstag zum Präsidenten des italienischen Senats gewählt worden. Er übernimmt damit das zweithöchste politische Amt im Staat nach dem Präsidenten. Überschattet wurde die konstituierende Sitzung des italienischen Parlaments am Donnerstag von dem deutlich zutage tretenden Streits innerhalb des Rechtslagers um die künftigen Ministerposten.
Die zur Rechtsallianz gehörende Forza Italia des viermaligen Premiers Silvio Berlusconi weigerte sich, im Senat für den gemeinsamen Kandidaten La Russa stimmen. Berlusconi begründete die Enthaltung seiner Partei mit dem Veto Melonis gegen einige Ministerkandidaten der Forza Italia für die künftige Regierung. Der 86-jährige TV-Unternehmer beanspruchte das Bildungs- oder das Gesundheitsministerium für seine Vertraute Lucia Ronzulli, doch Meloni lehnte diese Forderung laut Medienberichten ab.
Mussolini-Nostalgie
Der 75-jährige La Russa, Mitbegründer der Meloni-Partei, wurde dennoch im ersten Wahlgang mit 116 Stimmen zum Senatspräsidenten gewählt. Da die Forza Italia-Senatoren nicht für ihn stimmten, erhielt er in der geheimen Abstimmung offensichtlich Unterstützung einiger Parlamentarier aus anderen Parteien außerhalb des Rechtsbündnisses, was umgehend für heftige Spekulationen sorgte.
La Russa, der Benito als zweiten Namen trägt, ist dafür bekannt, dass er in seiner Wohnung Erinnerungsstücke an den faschistischen Diktator Benito Mussolini sammelt. Der 1947 auf Sizilien geborene La Russa blickt auf eine lange politische Karriere zurück. Sein Vater war faschistischer Parteichef einer Lokalsektion auf Sizilien. Der Jurist gehörte der Jugendorganisation des Movimento Sociale Italiano (MSI), Nachfolgepartei der Faschistischen Partei, an. Nach dem Jus-Studium arbeitete er kurz als Anwalt, danach widmete sich La Russa ganz der Politik. Seit 1992 sitzt er im Parlament.
Feuriges Temperament
Seit Jahrzehnten ist der wegen seines feurigen Temperaments und seines starken sizilianischen Akzents bekannte La Russa ein Schwergewicht im italienischen Rechtslager. So spielte er 1995 eine entscheidende Rolle bei der Umwandlung der postfaschistischen MSI in die Rechtspartei Alleanza Nazionale von Gianfranco Fini. Diese ging eine Allianz mit der rechtskonservativen Partei Forza Italia von Silvio Berlusconi ein.
Von 2008 bis 2011 besetzte La Russa in einer Regierungen von Berlusconi den Posten des Verteidigungsministers. 2012 gründete er mit der Rechtsaußenpolitikerin Giorgia Meloni die Partei Fratelli d ́Italia, die aus der von Fini aufgelösten Alleanza Nazionale entstand. Der Parteiname lehnt sich an die erste Zeile der italienischen Nationalhymne an. In der letzten Legislaturperiode bekleidete La Russa von 2018 bis 2022 das Amt des Vizepräsidenten des Senats.
Unter der Führung des Duos Meloni-La Russa hat sich Fratelli d ́Italia von einer kleinen Oppositionspartei zu Italiens stärkster Gruppierung im italienischen Parlament entwickelt. Bei den Parlamentswahlen 2018 hatten die Brüder Italiens noch vier Prozent der Stimmen erhalten. Bei den Wahlen am 25. September versechsfachten sich die Stimmen der Partei. Parteichefin Meloni dürfte kommende Woche den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten.
Will faschistischen Gruß wieder erlauben
La Russa sorgte wegen seinem Umgang mit der Vergangenheit bereits öfters für Schlagzeilen. Vor zwei Jahren schlug er vor, den Faschistengruss "Saluto Romano" wieder zu erlauben und den nationalen Feiertag zum Sieg gegen den Faschismus am 25. April abzuschaffen und ihn durch einen Gedenktag für die Corona-Toten zu ersetzen.
Den Vorsitz der konstituierenden Sitzung des Senats am Donnerstag hatte die Holocaust-Überlebende Liliane Segre. Die 92-jährige Senatorin auf Lebenszeit leitet als ältestes Parlamentsmitglied die erste Sitzung im Senat. Segre, die als Kind als einziges Mitglied ihrer Familie das KZ Auschwitz überlebte, zeigte sich bei der konstituierenden Sitzung des Senats bewegt, dass sie ausgerechnet im Monat Oktober, in dem sich der faschistische Marsch auf Rom heuer zum 100. Mal jährt, den Vorsitz des Senats übernehme. Am 28. Oktober 1922 hatte der damalige Faschistenführer Benito Mussolini die Macht an sich gerissen.
Parallel zum Senat trat auch das Abgeordnetenhaus am Donnerstag erstmals zusammen. Bei der Wahl zum Präsidenten der Abgeordnetenkammer gilt der Lega-Fraktionschef Riccardo Molinari als Favorit. Die Abstimmung ist am Donnerstagnachmittag geplant.