Der diesjährige Friedensnobelpreis geht an Menschenrechtler aus Russland, Weißrussland und der Ukraine. Der inhaftierte weißrussische Menschenrechtsaktivist Ales Bjaljazki, sowie die Organisationen Memorial aus Russland und Zentrum für Bürgerliche Freiheiten (CCL) aus der Ukraine werden für ihr Engagement für Bürgerrechte ausgezeichnet, gab das norwegische Nobelkomitee am Freitag in Oslo bekannt.
Die Preisträger repräsentierten die Zivilgesellschaft in ihren Ländern und hätten einen "außergewöhnlichen Beitrag" geleistet, um Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen und Machtmissbrauch zu dokumentieren, sagte die Vorsitzende des Komitees, Berit Reiss-Andersen, in ihrer Begründung. Doch wer sind die Preisträger?
Bjaljazki: Ein prominentester Dissident
Bjaljazki gilt als einer der prominentesten Dissidenten aus Weißrussland. Der heute 60-jährige Literaturwissenschaftler setzt sich seit den 1980er Jahren für Demokratie und Menschenrechte ein. 1996 gründete er die Menschenrechtsorganisation "Wjasna" (Frühling). Er war bereits zwischen 2011 und 2014 inhaftiert. Im Gefolge der Proteste gegen das Regime von Staatschef Alexander Lukaschenko nach der weißrussichen Präsidentenwahl 2020 wurde er im Juli 2021 festgenommen und wird seitdem gefangen gehalten. Er hat bereits mehrere hochrangige Auszeichnungen erhalten, darunter den "Right Livelihood Award" (Alternativen Nobelpreis) 2020 sowie den Václav-Havel-Menschenrechtspreis des Europarates 2013.
Reiss-Andersen forderte die Behörden in dem autoritär regierten Land auf, Bjaljazki freizulassen. "Wir hoffen inständig, dass das geschehen wird und dass er nach Oslo kommen kann, um seine Ehrung entgegenzunehmen", sagte die Vorsitzende des Nobelkomitees.
Die Ehefrau Bjaljazkis, Natalja Pintschuk, sagte der Nachrichtenagentur AFP, sie sei "überwältigt von ihren Gefühlen" und "dankbar". Die weißrussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter von einer "Anerkennung für alle Weißrussen, die für Freiheit und Demokratie kämpfen".
Memorial: Wichtigste Menschenrechtsorganisation in Russland
Memorial International ist die älteste und wichtigste Menschenrechtsorganisation in Russland. Sie setzt sich seit mehr als 30 Jahren für die Aufarbeitung der stalinistischen Verbrechen in der Sowjetunion ein. Die Organisation selbst sowie das Memorial Menschenrechtszentrum mussten aufgrund von Gerichtsurteilen vom Dezember 2021 aufgelöst werden. Die Staatsanwaltschaft hatte beiden Memorial-Organisationen Verstöße gegen das sogenannte Ausländische-Agenten-Gesetz vorgeworfen. Im März 2022 wies das russische Oberste Gericht auch einen Aufschub der Auflösung zurück.
Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin sehen in dem 2012 verabschiedeten und 2020 ausgeweiteten Gesetz über "ausländische Agenten" ein politisches Instrument, um oppositionelle und zivilgesellschaftliche Gruppen zum Schweigen zu bringen. Im Juni 2022 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), das Gesetz stelle einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention dar.
Mit Blick auf Putin, der heute seinen 70. Geburtstag feiert, sagte Reiss-Andersen, der Preis sei "nicht gegen Präsident Putin gerichtet": "Wir geben einen Preis immer für etwas und an jemanden – nicht gegen jemanden." Allerdings unterdrücke die russische Regierung Menschenrechtsaktivisten.
Zentrum für Bürgerliche Freiheiten: Aufdeckung von Menschenrechtsverletzungen
Das Zentrum für Bürgerliche Freiheiten (Center for Civil Liberties, CCL) wurde 2007 in Kiew von den Leitern mehrerer Menschenrechtsgruppen aus dem postsowjetischen Raum gegründet. Die Organisation setzt sich nach eigenen Angaben für die Aufdeckung von Menschenrechtsverletzungen etwa rund um die Euromaidan-Proteste 2013/14 oder in den russisch besetzten Teilen der Ukraine ein. Sie engagierte sich in den vergangenen Jahren auch für eine Reform des ukrainischen Strafrechts und führt Menschenrechtsschulungen durch. "Ein Morgen mit guten Nachrichten. Wir sind stolz", twitterte die Organisation nach der Verkündung der Auszeichnung. Das CCL und seine Leiterin Oleksandra Matwijtschuk waren heuer bereits mit dem "Right Livelihood Award" ausgezeichnet worden.
Vergangenes Jahr war der Friedensnobelpreis an die beiden Journalisten Maria Ressa von den Philippinen und Dmitri Muratow aus Russland gegangen. Sie erhielten den Nobelpreis für ihren mutigen Kampf für die Meinungsfreiheit.