"Ich habe schon immer gesagt, dass wir unserer Toleranzschwelle bezüglich Kritik und auch Protesten erhöhen sollten", sagte Raisi am Mittwoch. Der Weg dahin ist laut Raisi offen, man könnte im Land dazu auch Zentren für Diskussionen eröffnen. "Auch die Umsetzung der Gesetze könnte reformiert und revidiert werden. Dies würde dem Land sogar nützen", sagte der Kleriker.
Er ließ im Live-Interview des Staatssenders Irib jedoch offen, welche Gesetze revidiert werden könnten und ob auch islamische Gesetze wie das Kopftuchverbot dazu gehören. Auslöser der Proteste war der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte sie wegen ihres angeblich "unislamischen Outfits" festgenommen. Was genau mit Amini nach ihrer Festnahme geschah ist unklar. Die junge Frau war ins Koma gefallen und am 16. September in einem Krankenhaus gestorben. Kritiker werfen der Moralpolizei vor, Gewalt angewendet zu haben. Die Polizei weist die Vorwürfe entschieden zurück. Seitdem demonstrieren landesweit Tausende Menschen gegen den repressiven Kurs der Regierung. Am Mittwoch wurde auch die Tochter eines Ex-Präsidenten wegen Unterstützung der Proteste verhaftet.
Raisi habe umgehend nach Aminis Tod deren Familie kontaktiert und versprochen, eine akribische Untersuchung durch das Innenministerium anzuordnen. "Mir wurde jetzt gesagt, dass der finale Bericht der Gerichtsmedizin schon in den nächsten Tagen fertig sein wird", sagte der Präsident. Danach würden Regierung und Justiz die notwendigen Schritte einleiten.
Raisi betonte aber erneut, dass Proteste nicht zu Ausschreitungen führen dürften und bezeichnete die regierungskritischen Proteste als Verschwörung gegen die Führung des Landes. "Die Gefährdung der nationalen Sicherheit ist für uns die Rote Linie, die nicht überschritten werden darf", sagte der 61-Jährige. Die Randale der vergangenen Tage sei von den Feinden des Irans arrangiert worden, um das Land und das islamische System "zum Stillstand zu bringen". Daher würden die Polizeikräfte konsequent gegen die Randalierer vorgehen und die Justiz die vom Ausland angeheuerten Söldner hart bestrafen, warnte der Präsident.