Alleine auf dem zentralen Boulevard Keshawars kamen am Montagabend Hunderte Demonstranten zusammen, wie die iranische Nachrichtenagentur Fars berichtete. Die Polizei ging teils mit Wasserwerfern und Schlagstöcken gegen die Menschenmengen vor. Demonstranten sollen Mülltonnen in Brand gesetzt und Steine geworfen haben.
Nach Festnahme ins Koma gefallen
Der Großteil der Proteste war jedoch friedlich. Nach Angaben von Augenzeugen waren Polizei und Sicherheitskräfte in der Stadt mit einem massiven Aufgebot auf den Straßen unterwegs. Im Volkspark Mellat etwa kam es den Augenzeugen zufolge zu Menschenansammlungen, bei denen einige auch regimekritische Slogans riefen. Mehrere Frauen nahmen demnach aus Solidarität mit Amini ihre Kopftücher ab. Die junge Frau war am vergangenen Dienstag nach ihrer Festnahme durch die Religionspolizei ins Koma gefallen und am Freitag in einem Krankenhaus gestorben.
In weiteren Städten sowie in Aminis Heimatprovinz Kurdistan gingen etliche Menschen auf die Straße. Dabei kam es Medienberichten zufolge auch zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten. In der Stadt Diwandareh sollen nicht unabhängig bestätigten Berichten zufolge auch Schüsse gefallen sein. Von offizieller Seite gab es zunächst keine Bestätigung. An mehreren Orten riefen die Teilnehmer der Proteste: "Wir fürchten uns nicht, wir sind alle zusammen" - eine Parole, die vor allem während der Demonstrationen nach der umstrittenen Präsidentenwahl 2009 bekannt geworden war.
Große Anteilnahme und Bestürzung
Im Iran und international hatte der Fall Aminis große Anteilnahme und Bestürzung ausgelöst. Im Internet trauerten viele Iraner um die junge Frau, die am Dienstag während eines Familienbesuchs in Teheran von der Sitten- und Religionspolizei wegen ihres "unislamischen" Outfits festgenommen und auf eine Polizeiwache gebracht worden war. Nach Polizeiangaben war sie dort wegen Herzversagens zunächst in Ohnmacht und danach ins Koma gefallen. Am Freitag wurde ihr Tod bestätigt.
Im Netz kursierte jedoch auch eine andere Version. Nach der Verhaftung sei ihr Kopf im Polizeiauto gegen die Scheibe geschlagen worden, was zu einer Hirnblutung geführt habe. Die Polizei wies diese Darstellung vehement zurück. Die Klinik, in der die 22-Jährige behandelt wurde, hatte nach ihrem Tod in einem inzwischen gelöschten Post bei Instagram geschrieben, dass Amini bereits bei der Aufnahme am Dienstag hirntot gewesen sei.
Die Polizei wies am Montag erneut jegliche Schuld am Tod der jungen Frau zurück. Die Unterstellungen seien "grundlos", sagte der Polizeichef der Hauptstadt, Hussein Rahimi, nach Angaben der Nachrichtenagentur Mehr. Die Polizei sei stets bemüht, dass solche Fälle nicht vorkommen, sagte Rahimi. "Es ist gesetzlich nun mal unsere Aufgabe, Frauen an die Kleidervorschriften zu erinnern", so der Polizeichef. "Was sie zu Hause tragen ist ihre Sache, aber nicht in der Öffentlichkeit." Der Frau hätten sie jedoch kein Haar gekrümmt, versicherte Rahimi.
Die Polizei und auch die Regierung von Präsident Ebrahim Raisi sind seit dem Tod Aminis und der landesweiten Kritik in Erklärungsnot. Die Polizei versuchte mit mehreren nicht verifizierbaren Videoaufnahmen ihre Unschuld zu beweisen. Die konservative Zeitung "Keyhan", die als Stimme der Hardliner gilt, und andere Politiker der Regierung stützten die Version. Sie werfen den Kritikern vor, Unruhe gegen die islamische Republik zu stiften und Lügen verbreiten zu wollen. Gleichzeitig ordnete Raisi an, den Fall gründlich zu überprüfen.
Vielfältige Solidaritätsbekundungen
Prominente Iranerinnen schlossen sich aus Solidarität dem Protest im Internet an, indem sie etwa ihre Haare abschnitten oder Bilder ohne Kopftuch veröffentlichten. Unter ihnen waren etwa die bekannten Schauspielerinnen Anahita Hemmati und Shabnam Farshadjhu.
Seit der Islamischen Revolution im Jahr 1979 gelten im Iran strenge Kleidungsvorschriften. Insbesondere in den Metropolen und reicheren Vierteln sehen viele Frauen die Regeln inzwischen eher locker - zum Ärger erzkonservativer Politiker. Die Regierung Raisis und Hardliner im Parlament versuchen seit Monaten, die islamischen Gesetze strenger umzusetzen. Die Sittenpolizei setzt die Kleidungsvorschriften teils auch mit Gewalt durch.