Das UNO-Menschenrechtsbüro sieht Anhaltspunkte für Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der chinesischen Region Xinjiang. Das geht aus einem explosiven Bericht hervor, den die scheidende UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, am Mittwochabend kurz vor Mitternacht – zehn Minuten vor dem Ende ihrer Amtszeit – veröffentlichte.
Die Beschreibungen von Menschen, die in sogenannten Berufsbildungseinrichtungen festgehalten wurden, hätten Muster von Folter oder anderen Formen grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung aufgezeigt, heißt es darin.
In der Nordwestregion gibt es schon lange Spannungen zwischen den herrschenden Han-Chinesen und ethnischen Minderheiten. Seit blutigen Unruhen 2009 und Terroranschlägen greifen die Sicherheitskräfte hart durch. Die muslimischen Uiguren beklagen kulturelle und religiöse Unterdrückung, während Peking uigurischen Gruppen Extremismus und Separatismus vorwirft. Nach Angaben von Menschenrechtlern sind Hunderttausende Uiguren und Mitglieder anderer Minderheiten in Umerziehungslager gesteckt worden. Auch gehen Beobachter von systematischer Zwangsarbeit aus. Nach ihrer Machtübernahme 1949 in Peking hatten die Kommunisten das frühere Ostturkestan der Volksrepublik einverleibt.
"Internationale Verbrechen"
"Das Ausmaß der willkürlichen und diskriminierenden Inhaftierung von Angehörigen der Uiguren und anderen überwiegend muslimischen Gruppen (...) könnte internationale Verbrechen, insbesondere Verbrechen gegen die Menschlichkeit, darstellen", heißt es darin. Den Menschen seien von 2017 bis 2019 und möglicherweise darüber hinaus fundamentale Rechte vorenthalten worden.
Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen und geflohenen Uiguren wurden Hunderttausende Uiguren und Mitglieder anderer Minderheiten in Umerziehungslager gesteckt. Viele sollen zur Zwangsarbeit in andere Provinzen geschickt worden sein. China weist die Vorwürfe zurück und spricht von Lügen.
40 Länder wollten Veröffentlichung verhindern
Der Bericht sollte schon im vergangenen Jahr veröffentlicht werden. Bachelet zögerte aber, weil sie mit China monatelang darüber verhandelte, ins Land reisen zu können. Diese Reise kam im Juni zustande. Knackpunkte waren unter anderem, dass das UN-Menschenrechtsbüro selbst entscheiden wollte, wo sie hinfährt und mit wem sie ohne Aufsicht durch Behörden sprechen kann.
Ihr Büro sagte zwar, China sei auf die Forderungen eingegangen. Sie reiste auch nach Xinjiang, doch hielt sie sich zum Ende des Besuchs mit Kritik an Pekings Vorgehen in der Region stark zurück. Das brachte Bachelet Kritik ein. Es habe keine Aufklärung des Vorwurfs schwerer Menschenrechtsverletzungen dort gegeben, hieß es etwa in Berlin.
Bachelet stand unter immensem Druck, wie sie vergangene Woche berichtete. Während viele Regierungsvertreter mit wachsender Ungeduld auf die Veröffentlichung gepocht hätten, habe sie auch einen Brief von rund 40 Regierungen erhalten, die sie drängten, von der Veröffentlichung abzusehen. Einzelne Länder nannte sie nicht.
Bachelet war seit 2018 im Amt. Sie bewarb sich nicht um eine zweite Amtszeit. UNO-Generalsekretär António Guterres hat noch keine Nachfolgerin oder Nachfolger benannt.