Man könnte das laute mediale Getöse vor dem umstrittenen Taiwan-Besuch Nancy Pelosis als übliches journalistisches Brimborium abhaken, aber die Medienberichterstattung in China folgt anderen Gesetzen. Wenn dort den Journalisten von den Machthabern Begriffe wie "feindliche Annäherung", "mit dem Feuer spielen" oder "Flugzeug abschießen" in die Tastaturen diktiert werden, dann kann einem schon mulmig werden. Nach der Abreise von Pelosi drangen 27 chinesische Kampfjets in Taiwans Luftraum ein. Bereits am Dienstag waren während Pelosis Besuchs mehr als 20 chinesische Militärflugzeuge in die Luftverteidigungszone Taiwans geflogen, wie Beamte in Taipeh mitteilten. China erklärte daraufhin, dass die Militärübungen, die bis zu 20 Kilometer an die Küste Taiwans heranreichen, zum Schutz von Chinas Souveränität "notwendig und legitim" seien. Kein Wunder, wenn im kriegsgeplagten Europa sofort die Frage auftauchte: Wann fällt der erste Schuss im Kampf um Taiwan?
Josef Dollinger (Peking)