Mit einem Besuch in Taiwan hat US-Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi eine Reihe militärischer Drohgebärden Chinas ausgelöst. Schon kurze Zeit vor dem Eintreffen Pelosis in Taipeh schickte Peking mehrere Kampfjets über die Straße von Taiwan. Laut Taipeh drangen 21 chinesische Kampfjets in den Luftraum Taiwans ein. Das chinesische Verteidigungsministerium drohte mit"gezielten militärischen Aktionen" und kündigte mehrere Militärmanöver rund um die Insel an.

China: "Spiel mit dem Feuer"

"Wer mit dem Feuer spielt, wird darin umkommen", erklärte Ministerium in Peking. Es wiederholte damit jene Aussage, die der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping vergangene Woche in einem Telefonat mit US-Präsident Joe Biden gemacht hatte. Das chinesische Verteidigungsministerium kündigte Manöver mit Schießübungen in sechs Meeresgebieten rund um Taiwan an. Die Militärübungen sollen noch am Dienstag beginnen und bis Sonntag dauern, berichtete das Staatsfernsehens. Dieses hatte kurz vor dem Eintreffen Pelosis vermeldet, dass chinesische Kampfflugzeuge des Typs SU-35 die Taiwanstraße überflogen.

Die Manöver dienten der "ernsten Abschreckung gegen die jüngste Eskalation durch negative Schritte der USA in der Taiwanfrage und eine ernste Warnung an die Unabhängigkeitskräfte, die eine Abspaltung wollen", sagte der Sprecher. Es gehe um die Abwehr "der Einmischung ausländischer Kräfte und separatistischer Versuche von Unabhängigkeitskräften in Taiwan".

Pelosi: "Besuch ändert nichts an China-Politik"

Pelosi sicherte Taiwan nach ihrem Eintreffen die weitere Unterstützung der USA zu. Ihr Besuch unterstreiche das "unerschütterliche Engagement der USA für die Unterstützung der lebendigen Demokratie in Taiwan", teilte die Demokratin nach ihrer Landung in der Hauptstadt Taipeh mit. "Amerikas Solidarität mit den 23 Millionen Menschen in Taiwan ist heute wichtiger denn je, da die Welt vor der Wahl zwischen Autokratie und Demokratie steht." Die 82-Jährige betonte, ihr Besuch ändere nichts an der bisherigen China-Politik der Vereinigten Staaten.

Pelosi ist die hochrangigste US-Politikerin seit 25 Jahren, die Taiwan besucht. In Taipeh wurde der Besuch als Rückschlag für Peking gewertet, das Taiwan international zu isolieren sucht. Am Mittwoch wollte Pelosi die taiwanesische Präsidentin Tsai Ing-wen treffen, auch Termine im Parlament waren geplant. Pelosis Flugzeug machte nach Medienberichten auf dem Weg von Malaysia einen Umweg um das von China weitgehend kontrollierte Südchinesische Meer, um östlich von den Philippinen kommend nach Taiwan zu fliegen.

Parteiübergreifend hießen taiwanische Parlamentarier die 82-Jährige willkommen. Der oppositionelle Abgeordnete Chen Yi-hsin von der Kuomintang äußerte die Hoffnung, das Peking nicht "überreagiert". Pelosi repräsentiere den Kongress und das Volk der USA, aber nicht US-Präsident Joe Biden, sagte er der Nachrichtenagentur CNA. Damit sei ihr Besuch keine Änderung der "Ein-China-Politik" der USA, die Peking als einzige legitime Regierung Chinas anerkennen.

Der Abgeordnete der regierenden Fortschrittspartei (DPP), Wang Tingyu, erwartet, dass Peking zwar einige "störende Aktionen" unternehmen werde. Er rechne aber nicht mit einer Reaktion, die einen Konflikt mit den USA auslösen könnte. Der Generalsekretär der taiwanischen Menschenrechtsvereinigung, Shih Yi-hsiang, sieht in dem Besuch ein "Signal, dass wir Demokratie und Menschenrechte vertiefen und uns dem Autoritarismus der Kommunistischen Partei Chinas widersetzen sollten".

Indopazifik-Besuch

"Amerikas starkes und unerschütterliches Engagement für unsere Verbündeten und Freunde in der Region zu bekräftigen" – das war laut US-Repräsentantenhaussprecherin Nancy Pelosi das Ziel, mit dem man als amerikanische Delegation in den Indopazifik aufbrach. Man werde in Singapur, Malaysia, Südkorea und Japan haltmachen, um unter anderem Themen wie Handels- oder Klimapolitik anzusprechen.

Ein taiwanischer Abgeordneter bestätigte der Deutschen Presse-Agentur in Taipeh Presseberichte in den USA und Taiwan, dass Pelosi im Rahmen ihrer Asienreise möglicherweise am Dienstagabend Ortszeit aus Malaysia kommend in Taipeh eintreffen werde. Am Mittwoch könnte es ein Treffen mit Präsidentin Tsai Ingwen geben. Der Reiseplan ist nach US-Medienberichten allerdings in Bewegung, während das Pentagon alle Schritte der chinesischen Seite beobachte und "rund um die Uhr" daran arbeite, die Sicherheit der Nummer Drei in den USA zu gewährleisten, wie es hieß. Es wäre in jedem Fall der ranghöchste Besuch eines US-Politikers seit einem Vierteljahrhundert in Taiwan, das die kommunistische Führung in Peking als Teil der Volksrepublik China ansieht. 

Entsendung von Streitkräften angedroht

Solch ein Besuch wäre ein heikles Unterfangen, denn China sieht die Insel als Teil seines Staatsgebiets und droht nun mit "ernsten Konsequenzen" und "starken Gegenmaßnahmen". Das Verteidigungsministerium in Taipeh erklärte am Dienstag, wenn die Spannungen zunähmen, würden als Reaktion auf "feindliche Bedrohungen" in angemessener Weise Streitkräfte entsandt.  Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hatte US-Präsident Joe Biden in einem Telefonat am vergangenen Donnerstag vor dem Besuch gewarnt: "Diejenigen, die mit dem Feuer spielen, werden daran zugrunde gehen."

Visite wäre "krasse Einmischung"

Auf ihrem ersten Stopp in Singapur wurde Pelosi vom dortigen Regierungschef Lee Hsien Loong noch gebeten, "die Beziehungen zu China stabil zu halten". Dies sei entscheidend, "um den Frieden und die Sicherheit in der Region zu wahren". 

Chinas Außenamtssprecher Zhao Lijian sagte am Montag vor der Presse in Peking, eine solche Visite wäre eine "krasse Einmischung in Chinas innere Angelegenheiten". "Die chinesische Seite ist umfassend auf alle Eventualitäten vorbereitet", sagte Zhao zu Spekulationen, dass Pelosi diese Woche im Rahmen ihrer Asien-Reise auch Taiwan besuchen könnte. "Die Volksbefreiungsarmee wird nicht tatenlos zusehen, und die chinesische Seite wird sicher energische und entschiedene Maßnahmen ergreifen, um unsere Souveränität und territoriale Integrität zu schützen."

Die US-Spitzenpolitikerin werde in Taipeh voraussichtlich auch mit dem Vizepräsidenten des Parlaments, Tsai Chi-chang, und Abgeordneten des Legislativrates zusammentreffen, berichtete der taiwanische Parlamentarier der dpa. Parlamentschef You Shyi-kun sei verhindert, weil er nach einer Auslandsreise in Quarantäne sei. 

China lässt Muskeln spielen

Insidern zufolge lässt China bereits die Muskeln spielen. Mehrere chinesische Kampfflugzeuge seien am Dienstagmorgen nahe der Grenzlinie in der sensiblen Taiwanstraße gesichtet worden, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Auch patrouillierten mehrere chinesische Kriegsschiffe seit Montag in der Nähe der inoffiziellen Pufferzone in der Meerenge. Sowohl die chinesischen Kriegsschiffe als auch die Flugzeuge hätten die Mittellinie der Wasserstraße berührt. Das Manöver sei ungewöhnlich und "sehr provokativ". Taiwan habe Flugzeuge entsandt, um die Situation zu überwachen.

"Werden ihre Sicherheit garantieren"

Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums John Kirby versicherte unterdessen, dass man Pelosi den nötigen Schutz bei einem Besuch in Taiwan zur Seite stellen werde. "Wir werden ihre Sicherheit garantieren", erklärte er. In Bezug auf die chinesischen Reaktionen sagte Kirby: "Wir sollten uns als Nation davon nicht einschüchtern lassen. Wir werden alles tun, um die Sprecherin zu unterstützen." Zuvor hatten Experten bereits den strategischen Nutzen eines Besuchs infrage gestellt, auch bei anderen Partnern der USA gab es Bedenken. 

Eine Feuerprobe

Schon seit Monaten ist das Verhältnis der beiden Weltmächte höchst angespannt. Immer wieder häuften sich Berichte zu Streitigkeiten, zuletzt kam es sogar außerhalb des Planeten zu Differenzen, als NASA-Chef Bill Nelson der chinesischen Raumfahrtbehörde nach dem unkontrollierten Absturz einer Rakete "verantwortungsloses Handeln" vorwarf. Aus Pekings Perspektive stehen dagegen zwei wichtige Ereignisse unmittelbar bevor. Einerseits begeht man heute den 95. Jahrestag der Gründung der "Volksbefreiungsarmee", andererseits steht im Herbst der Parteitag der regierenden Kommunisten an. Angesichts dieser symbolträchtigen Anlässe scheint ein Einlenken Chinas in Territorialfragen höchst unwahrscheinlich.

Staatschef Xi Jinping hatte Biden in einem Telefonat zuvor bereits auch verbal eindringlich vor Einmischungen in die Taiwanfrage gewarnt. "Wer mit dem Feuer spielt, wird sich irgendwann verbrennen", habe er ihm laut der staatlichen Nachrichtenagentur mitgeteilt. Nun könnte Pelosis Besuch das Feuer durchaus anfachen.