Deutschland hat sich im griechisch-türkischen Konflikt um Inseln im Mittelmeer so klar wie noch nie an die Seite Griechenlands gestellt. "Griechische Inseln sind griechisches Territorium und niemand hat das Recht, das in Frage zu stellen", sagte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock am Freitag nach einem Gespräch mit ihrem griechischen Amtskollegen Nikos Dendias in Athen.
Die deutsche Regierung werde keinen Zweifel daran lassen, dass man solidarisch mit Griechenland sei und für die europäische Familie einstehe. Das werde auch ihre Botschaft in Istanbul sein - die Ministerin wollte noch am Freitag weiter zu Gesprächen in die Türkei reisen.
Bewusster Doppelbesuch
Ankara hatte zuletzt wiederholt die Souveränität Athens über etliche Inseln in der östlichen Ägäis in Frage gestellt, darunter die Urlaubsinseln Rhodos, Kos und Lesbos. Die Türkei beruft sich dabei auf internationale Verträge, wonach diese Inseln nicht militarisiert sein dürfen. Athen rechtfertigt die Truppenstationierung auf den Inseln mit der Präsenz zahlreicher Landungsboote an der türkischen Westküste und verweist auf sein Recht zur Selbstverteidigung.
Baerbock hatte sich bewusst dafür entschieden, ihre Antrittsbesuche bei den beiden zerstrittenen NATO-Partnern Türkei und Griechenland miteinander zu verbinden. "Wir brauchen Einheit, wir brauchen Dialog, wir brauchen in diesen schwierigen Zeiten besonnenes Handeln", sagte sie mit Blick auf den Ukraine-Krieg und seine Folgen. Streit in den Reihen des Bündnisses sei genau das, was der russische Präsident Wladimir Putin wolle.
Greichenland zeigt sich enttäuscht
Der griechische Außenminister Dendias zeigte sich trotz der Solidaritätsbekundungen enttäuscht von der bisher mangelnden Unterstützung vor allem auf EU-Ebene. Er habe die Problematik mit der Türkei in Brüssel wiederholt dargelegt, sagte er. "Da habe ich mich oft allein gefühlt." Er habe Deutschland jedoch nicht um Vermittlung gebeten. Vielmehr sei er überzeugt, dass jeder Außenminister eines EU-Landes beim Besuch in der Türkei die Haltung der EU vertrete, nämlich die Androhung von Gewalt seitens Ankaras zu verurteilen.
Scharfe Kritik übte Dendias zudem an den deutschen Rüstungsexporten und dem Verkauf von U-Booten an die Türkei. "Mit diesen U-Booten ist die Gefahr groß, dass das Kräfteverhältnis im Mittelmeer aus den Fugen gerät", sagte er. Die Türkei habe Griechenland zuletzt effektiv mit Krieg gedroht, es handle sich um ein Land, das die griechischen Hoheitsrechte verletze und gut ein Drittel eines anderen EU-Landes - Zypern - unrechtmäßig besetzt hielte. "Ja, Griechenland hat dieselben U-Boote", sagte Dendias. "Aber wir bedrohen niemanden."
Als weiterer ungelöster Punkt zwischen den beiden Ländern standen bei dem Treffen einmal mehr Griechenlands Forderungen nach Reparationen für die im Zweiten Weltkrieg von den deutschen Besatzern angerichteten Zerstörungen. "Ich möchte unterstreichen, dass das Thema der Reparationen Deutschlands für die griechische Regierung, aber hauptsächlich für die griechische Gesellschaft, offen bleibt", sagte Dendias. Das Thema müsse gelöst werden, das sei eine Prinzipienfrage.
Fortschritte bei Ringtausch?
Baerbock hingegen verwies auf die grundsätzliche deutsche Ablehnung solcher Forderungen. Berlin hält das Thema juristisch für abgeschlossen und beruft sich dabei auf den Zwei-plus-Vier-Vertrag über die außenpolitischen Folgen der deutschen Wiedervereinigung von 1990. In dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik, der DDR und den vier ehemaligen Besatzungsmächten USA, Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien sind Reparationen allerdings nicht ausdrücklich erwähnt. Außerdem waren zahlreiche von Nazi-Deutschland angegriffene und besetzte Staaten wie Griechenland und auch Polen an den Verhandlungen darüber nicht beteiligt.
Trotz der zahlreichen Konfliktthemen beim Treffen Baerbock-Dendias könnte es bald jedoch auch Fortschritte geben, und zwar beim geplanten Ringtausch zur Versorgung der Ukraine mit Schützenpanzern. "Ich denke, dass wir hier auf einem guten Weg sind", sagte Baerbock. Es geht um die Lieferung von rund 100 griechischen Schützenpanzern sowjetischer Bauart vom Typ BMP-1 in die Ukraine. Griechenland soll dafür von Deutschland Marder-Schützenpanzer erhalten. Die griechische Seite will ihre Panzer aber erst liefern, wenn der Ersatz aus Deutschland da ist.
Thema Pushbacks
In Bezug auf Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen gegenüber Flüchtlingen forderte Baerbock, dass es an den EU-Außengrenzen keine Menschenrechtsverletzungen und auch keine Pushbacks geben dürfe. Zwar bedeute Grenzschutz auch die Einhaltung von internationalem Recht etwa gegenüber Menschen- und Waffenschmuggel, aber jeder Mensch habe in der EU das verbriefte Recht, einen Asylantrag zu stellen, sagte sie nach dem Treffen mit Dendias.
Baerbock reagierte damit auf Vorwürfe an die griechische Regierung, Migranten auf See und an den Landesgrenzen zurückzudrängen, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, Asyl zu beantragen. Aber sie übte auch Selbstkritik: In Deutschland habe man zu lange gedacht, dass man die Staaten an der EU-Außengrenze mit Flüchtlingen, Migration und Grenzschutz alleine lassen könne. Auch Länder, die nicht an den Außengrenzen lägen, müssten deshalb dafür sorgen, dass es nicht zu Menschenrechtsverletzungen komme. Eine Lösung sei eine gemeinsame europäische Seenotrettung, sagte Baerbock.