Mit seinem öffentlichen Widerstand gegen einen Nato-Beitritt von Finnland und Schweden hat der türkische Präsident Erdogan die Allianz aufgeschreckt. Die beiden skandinavischen Länder böten anti-türkischen Organisationen wie der kurdischen PKK Unterschlupf, beschwerte er sich. Mit ihrem Veto als Nato-Mitglied kann die Türkei die Aufnahme neuer Mitglieder verhindern, doch Erdogans Widerstand hielt gerade einmal 24 Stunden. Ein Berater des Präsidenten stellte klar, dass Ankara die Tür für Helsinki und Stockholm nicht zugeschlagen habe. Dieses Dementi sprach er nicht zufällig gegenüber ausländischen Medien aus. Denn zu Hause in der Türkei will Erdogan mit seiner Kritik an den Skandinaviern als Verteidiger des Vaterlandes punkten.
Auf die Pauke hauen
Auf den ersten Blick bieten die Nato-Bewerbungen von Finnland und Schweden für Erdogan die ideale Chance, sich vor den türkischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr als starker Mann in Szene zu setzen. Er kann innenpolitisch auf die Pauke hauen, ohne außenpolitisch viel zu riskieren. Die Vermittlerrolle der Türkei im Ukraine-Krieg hat den Westen beeindruckt; niemand in Europa oder den USA wird die Nato-Mitgliedschaft der Türken wegen Erdogans Sprüchen infrage stellen. Finnland und Schweden werden die PKK-Aktivitäten in ihren Ländern möglicherweise etwas eindämmen, um Erdogan zu besänftigen. Der türkische Außenminister Çavuşoğlu meldete bereits hilfreiche Gespräche mit den beiden Staaten. Vielleicht bekommt Erdogan sogar endlich seinen lang ersehnten Termin bei US-Präsident Biden, der den türkischen Staatschef bisher auf Distanz hält. Auch das könnte er dann innenpolitisch als Triumph verkaufen.
Langfristig tut Erdogan seinem Land aber keinen Gefallen. Zwar haben sich die Partner seit Langem an Erdogans verbale Eskapaden gewöhnt. Im Jahr 2009 stemmte sich Erdogan gegen die Wahl des damaligen dänischen Ministerpräsidenten Rasmussen zum Nato-Generalsekretär, bevor er nach viel Getöse dann doch zustimmte. Dass Erdogan aber mitten im Ukraine-Krieg grundlos einen Riss in der Einheit des Westens fabriziert, hinterlässt einen faden Nachgeschmack, selbst wenn nichts Konkretes daraus folgt. Wladimir Putin wird es aufmerksam registriert haben.