Die irisch-nationalistische Partei Sinn Fein wird erstmals in der Geschichte der britischen Provinz stärkste Kraft im Regionalparlament in Belfast. Nach Auszählung aller Stimmen gewann Sinn Fein 27 der 90 Sitze im Stormont. Die pro-britische DUP kam auf 25 Mandate und gestand ihre Wahlniederlage ein. Sinn-Fein-Spitzenkandidatin Michelle O'Neill verkündete den Beginn einer "neuen Ära". Sie steht aber vor einer schwierigen Regierungsbildung.
"Dies ist heute ein sehr wichtiger Moment des Wandels", sagte O'Neill. Die 45-Jährige könnte nun die erste Regionalregierungschefin werden, die für eine Wiedervereinigung mit der Republik Irland einsteht. "Ich werde eine Führung anbieten, die integrativ ist, die Vielfalt feiert, die Rechte und Gleichheit für diejenigen garantiert, die in der Vergangenheit ausgeschlossen, diskriminiert oder ignoriert wurden", kündigte sie an.
Meinung
DUP-Chef Jeffrey Donaldson gestand seine Niederlage ein. Er bekräftigte seine Ablehnung einer Regierungsbeteiligung seiner Partei, solange es keine Änderungen am Nordirland-Protokoll gibt, das im Post-Brexit-Abkommen mit der EU die Zollvorschriften für die Region regelt.
Das Nordirland-Protokoll sieht Zollkontrollen im Warenaustausch zwischen Nordirland und dem restlichen Vereinigten Königreich vor. Die Regierung in London hatte dem zugestimmt, um Kontrollen an der inneririschen Grenze zu verhindern, da dies den Friedensprozess in der ehemaligen Unruheregion gefährden könnte. Die DUP lehnt die vorgesehenen Warenkontrollen ab und fordert die ersatzlose Streichung des Protokolls.
Schwierige Regierungsbildung
Die Regierungsbildung dürfte sich nun schwierig gestalten, denn die Regionalregierung in Belfast muss gemäß dem Friedensabkommen von 1998 von katholischen Nationalisten und protestantischen Unionisten gemeinsam geführt werden. "Das Volk hat gesprochen, und unsere Aufgabe ist es nun, zu handeln. Ich erwarte, dass auch andere aufstehen", sagte O'Neill dazu. Das DUP-Schwergewicht Edwin Poots warnte hingegen, die Verhandlungen über eine Regierungsbildung könnten "Wochen, mit etwas Glück, oder auch Monate" dauern.
Das Karfreitagsabkommen war 1998 geschlossen worden, um den blutigen Nordirland-Konflikt zu beenden. In der britischen Provinz hatten einander jahrzehntelang irisch-katholische Nationalisten und protestantische Loyalisten bekämpft. Das Friedensabkommen sieht eine Machtteilung zwischen den rivalisierenden Lagern vor. Im Nordirland-Konflikt waren in drei Jahrzehnten fast 3.500 Menschen getötet worden.
Sinn Fein galt früher als politischer Arm der paramilitärischen Irisch-Republikanischen Armee (IRA) und steht weiterhin für die Abhaltung eines Referendums über eine Wiedervereinigung des britischen Nordirland mit der Republik Irland ein. Im Wahlkampf für die Regionalwahlen stellte die Partei dieses Anliegen aber hinten an und konzentrierte sich auf soziale Themen wie steigende Lebenshaltungskosten. O'Neill kündigte nun eine "gesunde Diskussion" über die irische Wiedervereinigung an.
Neben Sinn Fein ist die konfessionsübergreifende Alliance Party die große Gewinnerin der Regionalwahlen. Sie landete mit 17 Sitzen hinter der DUP auf Platz drei. Die Parteivorsitzende Naomi Long forderte, die alten Spannungen zu überwinden. "Wir meinen es ernst damit (....). Wir sind nicht daran interessiert, Spielchen zu spielen."
Aufruf zur Zusammenarbeit
Der britische Nordirland-Minister Brandon Lewis wird in Kürze in Belfast erwartet. Er rief zur Einheit auf und appellierte an alle Parteien, "so bald wie möglich" eine funktionierende Regierung zu bilden. Der irische Ministerpräsident Micheal Martin erklärte, "alle politischen Parteien und Gewählten" müssten "den Interessen aller Bewohner Nordirlands dienen". Die US-Regierung rief protestantische und katholische Politiker auf, gemäß dem Karfreitagsabkommen die Macht zu teilen.