Die Konservative Partei von Premier Boris Johnson hat bei den Kommunal- und Bezirkswahlen in Großbritannien schwere Verluste erlitten. Von hoher Symbolkraft waren vor allem die Niederlagen in den Londoner Bezirken Westminster, wo sich die Regierungsgebäude befinden, und Wandsworth, die seit Jahrzehnten von den Tories regiert worden waren. Dort setzte sich jeweils die größte Oppositionspartei Labour durch. Johnson übernahm die Verantwortung für die schlechten Ergebnisse.

"Wir haben eine harte Nacht hinter uns in einigen Teilen des Landes, aber andererseits haben wir auch Zugewinne gemacht an Orten, die lange nicht, wenn überhaupt schon einmal, konservativ gewählt haben", sagte Johnson am Freitag zu Reportern beim Besuch einer Schule in London. "Die wichtigste Botschaft der Wähler ist, dass wir uns um die Dinge kümmern sollen, die ihnen am wichtigsten sind", meinte der Regierungschef. Seiner Partei wird vorgeworfen, nicht angemessen auf die durch steigende Preise entstehenden Belastungen zu reagieren.

Keir Starmer, Chef der Labour Party und Unterstützer haben Grund zum Jubeln. Die Sozialdemokraten sind bei den Wahlen in vielen Bezirken vorne.
Keir Starmer, Chef der Labour Party und Unterstützer haben Grund zum Jubeln. Die Sozialdemokraten sind bei den Wahlen in vielen Bezirken vorne. © AP (Jonathan Brady)

Die Verluste der Tories waren zwar erwartet worden, aber dennoch dürften die deutlichen Ergebnisse den Druck auf Johnson noch erhöhen. Dieser steht wegen der "Partygate"-Affäre parteiintern in der Kritik.

Die Abstimmung am Donnerstag galt als erstes Stimmungsbild seit der Affäre um illegale Lockdown-Partys im Londoner Regierungssitz Downing Street und weitere Skandale der Konservativen Partei. Insgesamt wurde über Tausende Sitze in Gemeinde- und Bezirksräten in weiten Teilen Englands sowie in Wales und Schottland abgestimmt. Johnson selbst stand nicht zur Wahl. Die nächste Parlamentswahl ist für 2024 vorgesehen.

Labour-Chef Keir Starmer sprach von einem "gewaltigen Wendepunkt". Seine Partei, die bei der Parlamentswahl 2019 eine heftige Niederlage erlitten hatte, gewann unter anderem auch in der südenglischen Hafenstadt Southampton und dem neu geschaffenen nordwestenglischen Bezirk Cumberland. "Wir haben Labour verändert", sagte Starmer und sprach von einer "Botschaft" an Johnson.

Liegt es an Boris Johnson?

Der Premier gilt zunehmend als Belastung für seine Partei. Im Wahlkampf hatten sich konservative Kandidaten vielerorts von Johnson distanziert und teilweise auf Wahlzetteln darum gefleht, sie nicht für Fehler der Regierung verantwortlich zu machen. Der bisherige Vorsitzende des Stadtrats im nordwestenglischen Carlisle machte Johnson für die Niederlage verantwortlich. "Probleme wie "Partygate" haben es zunehmend schwierig gemacht, sich auf örtliche Fragen zu konzentrieren", so Tory-Mitglied John Mallinson der BBC. Der konservative Parlamentsabgeordnete David Simmonds aus London sagte, Johnson habe "schwierige Fragen zu beantworten". Auch in Schottland steuerten die Tories auf eine herbe Schlappe zu.

Tory-Generalsekretär Oliver Dowden spielte die Verluste herunter. "Natürlich hatten wir einige schwierige Resultate, das kann man in London sehen", sagte Dowden der BBC. Aber in anderen Gemeinden hätten die Tories zugelegt. "Wenn man sich das ganze Bild anschaut, zeigt das wahrlich nicht, dass Labour ein Momentum hätte, um die nächste Regierung zu stellen", meinte Dowden.

Als Gewinner der Wahl galten auch die Liberaldemokraten. Sie gewannen landesweit Dutzende Sitze hinzu und wurden etwa in der nordostenglischen Stadt Hull stärkste Kraft.

Auch in den anderen Landesteilen Großbritanniens wurde gewählt. In Schottland und Wales waren die Wähler am Donnerstag zur Wahl neuer Gemeinde- und Bezirksräte aufgerufen. In Nordirland wurde ein neues Regionalparlament bestimmt. Mit der Auszählung der Stimmen sollte aber erst am Freitag begonnen werden. Ein Ergebnis wird im Laufe des Tages erwartet. Umfragen zufolge dürfte die katholisch-republikanische Partei Sinn Fein erstmals stärkste Kraft in der früheren Unruheprovinz Nordirland werden.