Die prominente russische Journalistin Schanna Agalakowa hat nach mehr als 20 Jahren beim Staatsfernsehen die Kreml-Propaganda als lebensfern verurteilt. Im russischen Fernsehen werde nur noch die Geschichte von Präsident Wladimir Putin und Leuten aus seinem Umfeld erzählt. "Wir sehen nur den Machtapparat", sagte die langjährige Frankreich-Korrespondentin des russischen Ersten Kanals, die den Sender wegen Putins Krieg gegen die Ukraine verlassen hat.
"In unseren Nachrichten gibt es kein Land, in unseren Nachrichten kommt Russland nicht vor", sagte Agalakowa. Der Machtapparat habe die unabhängigen Medien erstickt. Viele kämpften weiter. "Das sind mutige, unglaublich kühne, tapfere Menschen, die ich unendlich schätze", sagte die 56-Jährige, die in Russland wegen ihrer Berichterstattung aus Frankreich eine Berühmtheit ist. Sie äußerte sich am Dienstag bei einem Auftritt in Paris bei der Organisation Reporter ohne Grenzen. Das Wesen der Propaganda in den russischen Staatsmedien hingegen sei es, Fakten zu verdrehen und ein lügenvolles Gemisch zu produzieren. "Ich möchte, dass die Menschen nicht weiter zu Zombies gemacht werden."
Freie Presse
Agalakowa, die teils Französisch, teils Russisch sprach, sagte weiter: "(...) Eine freie Presse ist wichtig für jede Gesellschaft. Und wenn die Menschen sich selbst nicht mehr sehen in den Nachrichten, dann wissen sie nicht, an wen sie sich wenden können. Ihre Stimme wird nicht gehört. Das führt zu Selbstmord. Zu einem großen Selbstmord in den Ausmaßen des Landes." Ihr sei bewusst, dass sie in Russland nun des Verrats beschuldigt werde. "Mich hat niemand bezahlt. Ich bin keine Spionin", sagte sie in ihrer auch als Video verbreiteten Rede. Zugleich zeigte sich Agalakowa betroffen, dass im Westen jetzt das Wort "russisch" vielfach gelöscht werde, in den Geschäften, in den Theatern und sozialen Zentren. "Ihr erstickt und tötet die russische Kultur", sagte sie. "Ich glaube nicht, dass das euer Ziel ist, aber das ist auch ein unausweichliches Ergebnis eurer Handlungen."
Nicht zuletzt würden die Sanktionen des Westens gegen Russlands Kriegs in der Ukraine vor allem die Menschen der Mittelschicht treffen, "die immer demokratische Werte geteilt haben". Diese Verbündeten verliere der Westen nun. Und ein Land mit mehr als 140 Millionen Menschen werde der Armut und Zerstörung preisgegeben, warnte sie. Schuld an der Lage sei der russische Staat. "Aber der Westen trägt auch seine Verantwortung."