Bis jetzt spielte die Überlegenheit der russischen Luftwaffe beim Überfall auf die Ukraine keine große Rolle. Auch Experten rätseln darüber, warum russische Kampfflugzeuge noch nicht entscheidend in den Krieg eingegriffen haben. Ein möglicher Grund ist der erfolgreiche Einsatz von tragbaren Flugabwehrsystemen (Manpads) durch die ukrainischen Verteidiger. Mehrere Hubschrauber und auch tiefer fliegende Jets wurden abgeschossen, zwei Kampfflieger zuletzt Montagabend über dem Raum Kiew.
Wegen der unerwartet verlustreichen Bodenoffensive seiner Armee dürfte Putin aber bald seine Trumpfkarte ausspielen. Ukraines Präsident Wolodomyr Selenksyi flehte daher zuletzt die Nato regelrecht an, eine "No-fly-zone", also eine Flugverbotszone, über seinem Staatsgebiet durchzusetzen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg konnte dieser Bitte nicht nachkommen – und das hat mehrere Gründe.
Generell gilt die Durchsetzung einer Flugverbotszone als eine effektive militärische Operation, die es Staaten erlaubt, ohne den Einsatz von Bodentruppen und mit einer vergleichsweisen geringen Anzahl an Flugzeugen und Infrastruktur eine Entscheidung herbeizuführen oder zu beschleunigen.
"Zuerst einmal braucht es dafür eine rechtliche Legitimierung", erklärt Brigadier Gottfried Promberger, Kommandant der Luftraumüberwachung im Bundesheer. Sowohl in Bosnien 1995 als auch im Kosovo 1999 und in Lybien 2011 haben entsprechende UN-Resolutionen eine Flugverbotszone ermöglicht, diesmal steht Russlands Veto einer möglichen Resolution entgegen. Von dieser leiten sich auch die sogenannten "rules of engagement" ab, also die Regeln, wie dieses Flugverbot konkret durchgesetzt wird. Doch egal, wie diese auch definiert sind: Am Ende läuft es immer auf ein direktes Eingreifen eines Drittstaates in den Konflikt hinaus. Wladimir Putin hat bereits jedem, der sich bei der Durchsetzung einer Flugverbotszone beteiligt und auch nur Flugplätze oder Maschinen für Luftoperationen bereitstellt, mit Vergeltung gedroht.
"Wenn man die russische Bodenabwehr unterdrücken will, die eine Reichweite von bis zu 350 Kilometer hat, müsste man bereits auf russischem oder Weißrussland-Staatsgebiet operieren", räumt Promberger ein. Ein weiteres Problem: Der Pilot eines Kampfflugzeuges kann über große Entfernungen ein eindringendes Luftfahrzeug nicht klar identifizieren, wenn dieses keinen Transpondercode aussendet. Soll er es sofort bekämpfen oder muss er zuvor Sichtkontakt herstellen? Auch dafür bedürfe es klarer Regeln.
Auch für Frank Sauer von der Universität der Bundeswehr in München ist eine Flugverbotszone keine Idee, die man ernsthaft weiterverfolgen sollte. "Das wäre der Eintritt der Nato-Allianz in einen Krieg mit Russland. Und das ist eine nicht akzeptable militärische Eskalation."