Im Krieg um die Ukraine stehen sich die beiden größten Streitkräfte Europas gegenüber: Mindestens 200.000 Soldaten und rund 250.000 Reservisten kann die ukrainische Armee aufbieten, Russland theoretisch mehr als viermal so viel. Sollte auch noch Weißrussland Truppen über seine südliche Grenze schicken, wäre auch ein dritter Staat direkt in die Kampfhandlungen involviert.
Auf ukrainischer Seite kann zusätzlich der bewaffnete Widerstand der Bevölkerung bei der feindlichen Einnahme von Städten zu einem ausschlaggebenden Faktor werden. Auch sogenannte "Foreign Fighters", Kämpfer aus dem Ausland, werden von Kiew aktiv rekrutiert. Russland hingegen greift auf Söldnerfirmen zurück – und auf tschetschenische Spezialeinheiten, die bereits 2014 in der Ostukraine den Gegner bekämpfte.
Der paramilitärischen Sicherheitstruppe Kadyrowzy ("Kadyrows Anhänger") eilt ein grauenhafter Ruf voraus. Eine Einheit dieser Leibgarde des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow soll direkt auf die Tötung von Präsident Wolodimir Selenskyj und dessen Familie angesetzt worden sein. Die ukrainischen Behörden berichten von einem vereitelten Attentatsversuch.
Wie so vieles in dem Krieg sind auch Meldungen über brutale Killerkommandos als Teil der psychologischen Kriegsführung zu betrachten. Dass zwei seiner Kämpfer auf ukrainischem Boden bereits gefallen und einige weitere verletzt wurden, hat Kadyrow in einer Nachricht auf Social Media nüchtern eingeräumt: "Ja, im Krieg wird getötet, und das war nun mal ihre Berufswahl."
Wagnergate
Doch es ist nicht die einzige Spezialeinheit, die Jagd auf die ukrainische Führungsspitze macht. Wie die Londoner "Times" berichtete, sollen bereits Ende Jänner und damit lange vor dem russischen Überfall rund 400 Mitglieder der Söldnerfirma "Gruppe Wagner" in Kiew eingesickert sein. Auf ihrer Todesliste stehen demnach zwei Dutzend hochrangige Politiker. Die Involvierung der von Russland finanzierten "Sicherheitsfirma" mit Sitz in Argentinien hat eine weitere delikate Facette. Im November deckte das Kollektiv "Bellingcat" eine Geheimoperation auf, die als "Wagnergate" bekannt wurde. Die Journalisten dokumentierten, dass ukrainische Dienste unter einem falschen Vorwand 33 Wagner-Söldner rekrutiert hatten. Deren geplante Verhaftung platzte aber, das Ziel der Operation wurde verfehlt.
Internationale Legion
Auch die Ukraine wirbt im Ausland für "Freiheitskämpfer". Der angegriffene Staat lockt sie nicht mit Geld, sondern mit höheren Idealen. "Jeder, der zur Verteidigung der Ukraine, Europas und der Welt beitragen will, kann kommen und Seite an Seite mit uns gegen die russischen Kriegsverbrecher kämpfen", rief Selenskyj Ende Februar zur Bildung einer "internationalen Legion" auf. Mehr als 1000 Menschen aus 16 Ländern sollen laut dem ukrainischen Außenministerium dem Aufruf schon gefolgt sein, darunter Veteranen der Französischen Fremdenlegion und 50 japanische Spezialisten in Selbstverteidigung.
Völkerrechtlich macht es einen Unterschied, ob man sich als Zivilist bewaffnet und ins Kriegsgeschehen eingreift, oder sich einer bewaffneten Miliz oder Freiwilligenverbänden anschließt. Einen vor Strafverfolgung schützenden Kombattantenstatus erhält man, wenn diese Verbände einen verantwortlichen Kommandanten haben, sich deutlich von Zivilisten unterscheiden, die Waffen offen tragen und das humanitäre Völkerrecht einhalten. Wie Karl Edlinger, pensionierter Brigadier und Rechtsberater im Bundesheer, der APA erklärte, ist im Ukraine-Krieg auch deshalb von Bedeutung, weil dort die Regierung explizit zum bewaffneten Widerstand aufgerufen und 25.000 Schusswaffen ausgegeben hat.