Joe Biden verlor keine Zeit. Kaum hatte Russlands Staatschef Wladimir Putin angekündigt, die ukrainischen Separatistengebiete Donezk und Luhansk als unabhängige Volksrepubliken anzuerkennen, da hing der US-Präsident bereits am Telefon, beriet sich mit seinem Amtskollegen in Kiew, Wolodymyr Selenskyj, sowie den engsten europäischen Verbündeten, Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Zudem verhängte das Weiße Haus umgehend Sanktionen gegen die sogenannten neuen Volksrepubliken. Ein Schritt, der Stärke demonstrieren sollte.

Wie ernst Putin diese Signale nehmen wird, ist eine andere Frage. Denn trotz aller Symbolik fiel die erste Reaktion der Biden-Administration auf die russische Eskalation in der Ukraine-Krise verhalten aus. Man beobachte die Situation genau und werde am Dienstag weitere Schritte unternehmen, hieß es aus der Regierungszentrale. Man werde gemeinsam mit den Verbündeten harte Wirtschaftssanktionen verhängen, so Regierungssprecherin Jen Psaki, sollte "Russland weiter in die Ukraine eindringen".

Keine Invasion?

Das Wort "weiter" in dem Statement ist entscheidend. Die Alliierten scheinen die angekündigte Verlegung russischer Truppen in die Separatistengebiete nicht als Invasion zu werten. Schließlich waren hier auch in der Vergangenheit Streitkräfte des Kremls aktiv. Wohl nicht alle westlichen Verbündeten wollen deshalb bereits jetzt das große Sanktionspaket verhängen, das Russland von einem Einmarsch in die Ukraine abschrecken sollte. Schließlich würden diese vor allem für Europa hohe Kosten verursachen.

Denn die angedachten Sanktionen haben es in sich. Offiziell wird zwar nichts bekannt gegeben, doch die Amerikaner lassen seit Wochen durchblicken, dass sie vor allem den russischen Banken- und den Energiesektor mit Strafen belegen wollen. Das könnte für einige europäische Länder durchaus teuer werden, vor allem für Italien, Frankreich und Österreich, deren Banken Kredite in Milliardenhöhe an Russland vergeben haben. Im Falle einer Sanktionierung des Finanzsektors dürften diese kaum zurückgezahlt werden. Hinzu kommen noch die Vergeltungsmaßnahmen, die der Kreml wohl verhängen würde. Und natürlich steigende Energiepreise, wenn weniger verhältnismäßig preiswertes russisches Gas nach Europa fließt.

Ob und wann diese Sanktionen verhängt werden, ist noch offen. Im Weißen Haus gibt man sich bedeckt. Zwar spricht viel dafür, dass die "weiteren Schritte", die von den Vereinigten Staaten am heutigen Dienstag ergriffen werden, auch neue Sanktionen beinhalten, doch ob es sich dabei um das große, gemeinsam mit den Verbündeten ausgehandelte Paket handelt, ist eine andere Frage. So oder so: Die Situation bleibt fragil.

Deshalb hofft man im Westen weiter auf Diplomatie. Man werde so lange weiterverhandeln, "bis die Panzer rollen", so ein hoher Regierungsbeamter des Weißen Hauses. "Aber wir machen uns keine Illusionen darüber, was wahrscheinlich als Nächstes kommen wird."

Denn die von Putin angekündigte "Friedensmission", also der Einmarsch russischer Truppen aufs Gebiet der sogenannten Volksrepubliken, hat einen Krieg wahrscheinlicher gemacht. Das Militär des Kremls hat jetzt einen Brückenkopf auf ukrainischem Territorium, kann damit an die Kontaktlinie vorstoßen. Trotzdem wollen die Amerikaner nicht aufgeben. Sogar das Treffen, zudem Biden und Putin sich auf Vermittlung des französischen Präsidenten grundsätzlich bereit erklärt hatten, ist offiziell noch nicht vom Tisch – auch wenn man angesichts der aktuellen Situation keine Zusage machen könne, wie es im Weißen Haus heißt. Schließlich sei die Voraussetzung für einen Gipfel, dass es nicht zu einer Invasion komme.