Nach der Anerkennung der ostukrainischen Separatistengebiete durch Moskau hat der Westen erste Strafmaßnahmen gegen Russland verhängt.

Die EU verhängt angesichts der Eskalation im Ukraine-Konflikt neue Sanktionen gegen Russland. Die Außenminister der 27 Mitgliedstaaten stimmten am Dienstag bei einem Sondertreffen in Paris einem entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission und des Auswärtigen Dienstes zu. Die Strafmaßnahmen sollen noch in dieser Woche nach Abschluss technischer Vorbereitungen in Kraft treten.

Deutschland kündigte an, die Inbetriebnahme der umstrittenen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 auf Eis zu legen. Die USA werden noch am Dienstag weitere Strafmaßnahmen präsentieren, auch Großbritannien kündigte ein Sofortpaket mit Sanktionen an. Moskau zeigte sich indes unbeeindruckt.

Umfangreiches Sanktionspaket der EU

Das Sanktionspaket der EU umfasst nach Angaben aus Brüssel ein Handelsverbot für russische Staatsanleihen, um eine Refinanzierung des russischen Staates zu erschweren. Zudem sollen mehrere Hundert Personen und Unternehmen auf die EU-Sanktionsliste kommen.

Darunter wären nach Angaben von Diplomaten rund 350 Abgeordnete des russischen Parlaments, die für die russische Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk in der Ostukraine gestimmt haben, aber auch Banken, die in der Ostukraine Geschäfte machen. Auch sollen die Freihandelsregelungen der EU mit der Ukraine nicht mehr für die Gebiete in der Ostukraine gelten.

Von Personen, Organisationen und Unternehmen, die auf die EU-Sanktionsliste gesetzt werden, werden sämtliche in der EU vorhandenen Vermögenswerte eingefroren. Zudem dürfen gelistete Personen nicht mehr in die EU einreisen und mit den Betroffenen dürfen auch keine Geschäfte mehr gemacht werden.

Ziel der Finanzsanktionen ist, den Zugang Russlands zu den Kapital- und Finanzmärkten sowie Finanzdienstleistungen der EU ins Visier zu nehmen, um "die Finanzierung eskalierender und aggressiver Maßnahmen zu begrenzen". Von den russischen Banken sollen diejenigen bestraft werden, die an der Finanzierung russischer Militäroperationen und anderer Maßnahmen in den Separatistengebieten beteiligt sind.

Die vorgeschlagenen Beschränkungen des Handels zwischen der EU und der Separatistengebiete würden den Angaben zufolge sicherstellen, "dass die Verantwortlichen die wirtschaftlichen Folgen ihres rechtswidrigen und aggressiven Handelns deutlich spüren".

Das Sanktionspaket ist schärfer als zunächst am Montagabend angedacht. Hintergrund ist die Entscheidung Putins, auch Truppen in die Separatistengebiete zu entsenden.

Einzelne Länder reagieren scharf

Großbritannien legte sein Sanktionspaket bereits vor. Wie Premierminister Boris Johnson am Dienstag verkündete, werden zunächst fünf russische Banken sowie drei wohlhabende russische Staatsbürger mit gezielten Sanktionen belegt. Deren Vermögen in Großbritannien werde eingefroren und Reisen nach Großbritannien unterbunden. Bei den sanktionierten Oligarchen handelt es sich um Gennadi Timtschenko sowie Boris und dessen Neffe Igor Rotenberg. Alle drei Geschäftsleute gelten als enge Verbündete von Russlands Präsident Wladimir Putin. Zudem werden auch alle Abgeordneten in der Staatsduma und im Föderationsrat ins Visier genommen, die für die Anerkennung der Unabhängigkeit stimmten.

Die britische Regierung will die Emission russischer Staatsanleihen am Finanzmarkt London blockieren, sollte die Regierung in Moskau eine Entspannung des Konflikts verweigern. Sollte Russland nicht deeskalieren, werde das Vereinigte Königreich in Kürze Gesetze einführen, die neben anderen Schritten Russland daran hindern sollen, Staatsanleihen an den Märkten im Vereinigten Königreich zu begeben, wie das britische Außenministerium erklärte.

Biden kündigt US-Finanzsanktionen gegen Russland an

Die Strafmaßnahmen der USA werden sich gegen zwei große Banken, gegen den Handel mit russischen Staatsanleihen und gegen Unterstützer des russischen Präsidenten Wladimir Putin richten, wie US-Präsident Joe Biden am Dienstag ankündigte.

Der US-Präsident rechnet nach der jüngsten Eskalation in der Ukraine-Krise weiter mit einem groß angelegten Angriff Russlands auf das Nachbarland. "Wir glauben nach wie vor, dass Russland bereit ist, deutlich weiterzugehen und einen massiven Militärschlag gegen die Ukraine zu starten", so Biden.

Biden kündigte zudem weitere militärische Hilfe und Truppenverlegungen an. "Die Vereinigten Staaten werden der Ukraine in der Zwischenzeit weiterhin Verteidigungshilfe leisten, und wir werden unsere NATO-Verbündeten weiterhin stärken", sagte Biden. "Ich habe zusätzliche Bewegungen von US-Streitkräften und -Geräten genehmigt, die bereits in Europa stationiert sind."

Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock berief eine Schaltkonferenz der G7-Ressortchefs ein, wie das Auswärtige Amt mitteilte. Damit wolle die deutsche G7-Präsidentschaft "die enge und kontinuierliche Abstimmung zur Russland-Krise" fortsetzen. Im Deutschen Bundestag kommen der Auswärtige Ausschuss und der Ausschuss für EU-Angelegenheiten bereits am Mittwoch zusammen. Der Verteidigungsausschuss des Bundestags will am Donnerstag über die Lage beraten.

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält indes eine weitere Eskalation des Ukraine-Konflikts für möglich. Ob man mit der Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk durch Russland schon die Spitze der Eskalation erreicht habe, könne er nicht beurteilen, sagte Steinmeier am Dienstag in Dakar. "Zu befürchten ist, dass wir das Ende jedenfalls noch nicht erlebt haben."

Steinmeier warf Kremlchef Wladimir Putin einen Bruch des Völkerrechts und eine "Vernichtung des Minsker Abkommens" vor. Damit sei die einzige Grundlage für Gespräche über eine friedliche Konfliktlösung weggefallen. Dies sei nicht zu verstehen und schaffe eine hochgefährliche Lage. "Das ist eben nicht der Weg in Dialog, sondern das ist die Suche nach Konfrontation", sagte Steinmeier. Putins Entscheidung müsse auf eine gemeinsame und entschlossene Antwort der westlichen Partner treffen.

Lawrow: "Wir sind daran gewöhnt"

Der russische Außenminister Sergei Lawrow zeigte sich unterdessen von Sanktionsdrohungen wenig beeindruckt. "Unsere europäischen, amerikanischen, britischen Kollegen werden nicht aufhören und sich nicht beruhigen, bis sie alle ihre Möglichkeiten zur sogenannten 'Strafe gegen Russland' ausgeschöpft haben", sagte er. "Sie drohen uns bereits mit allen möglichen Sanktionen oder, wie sie jetzt sagen, mit der 'Mutter aller Sanktionen'", sagt Lawrow. "Nun, wir sind daran gewöhnt. Wir wissen, dass sowieso Sanktionen verhängt werden – ob mit oder ohne Grund."

Putin hatte am Montag die selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk als unabhängige Staaten anerkannt und die Entsendung von Truppen in den umkämpften Osten der Ukraine angeordnet.